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Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel

Titel: Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
Autoren: Pierre Grimbert
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meiner Seite befand sich ein Dämon in Gestalt eines jungen Mannes, der mir blind ergeben war. Ich war unsterblich. Und ich sehnte mich nach Macht.
     
     
     
    »Mir?«
    Der Löwe war nirgends zu sehen. Ispen lief noch einmal einige Dutzend Schritte und brüllte, so laut sie konnte: »Mir? Prad?«
    Nur der eisige Wind antwortete ihr. Bowbaqs Frau suchte die verschneiten Hügel und den Horizont ab, vor dem sich einige Bäume abzeichneten, die ihre kahlen Äste in den grauen Himmel reckten. Vor zwei Dekanten waren ihr Sohn und der Schneelöwe in dieser Richtung verschwunden, und bislang waren sie nicht zurückgekehrt.
    Eigentlich wusste Prad, wie gefährlich es war, sich allein in die arkische Eiswüste hinauszuwagen - vor allem zur Jahreszeit der Erde -, und er blieb nur selten so lange fort. Deshalb machte sich Ispen Sorgen. Sonst beruhigte es sie, Mir an seiner Seite zu wissen, denn der Löwe kam immer gleich angelaufen, sobald man ihn rief. Nur heute eben nicht.
    »PRA-AD!«, brüllte sie in die kalte Landschaft, die Hände zu einem Trichter geformt.
    Keine Antwort. Die furchtbarsten Möglichkeiten kamen ihr in den Sinn, ja selbst der unwahrscheinliche Gedanke, Mir könnte ihren Sohn angegriffen haben. Sie versuchte sich zusammenzureißen, indem sie sich vor Augen hielt, dass der Löwe anhänglicher war als ein Hund. Aber warum kam er dann nicht, wenn sie ihn rief?
    Vielleicht war dem Löwen etwas zugestoßen. War das Raubtier, das sich allzu sehr an Menschen gewöhnt hatte, seit es beim Schneeigelklan lebte, etwa von fremden Jägern erschossen worden? Und was war dann aus dem achtjährigen Jungen geworden, allein und verloren in der Eiswüste? Weinte er über der Leiche seines besten Freundes? Hatte er versucht, den Löwen zu beschützen?
    Die Zweifel wuchsen sich rasch zur Gewissheit aus. Mir kam immer sofort, wenn sie ihn rief. Nur jetzt nicht. Also musste er tot sein!
    Vielleicht gehörten die Täter ja auch zu Ispens Klan. Mehrere Jäger hatten sich über den Löwen in der Umgebung des Dorfs beschwert, weil er angeblich das Wild in die Flucht schlug. Nur unter Murren hatten sie sich dem Urteil ihres Anführers gebeugt. Der Klanchef hatte sie daran erinnert, dass das Wild schon seit einer ganzen Weile aus der Gegend verschwunden war und Mir das Dorf vor größeren Raubtieren beschützen würde. Doch trotz dieser Argumente hatten die Männer des Schneeigelklans, die sich für die streitbarsten Kämpfer der Welt hielten, nur eins gesehen: Osarok, der Anführer des Klans, war Ispens Bruder. Sein Urteil konnte also nicht richtig sein.
    Ispen ärgerte sich, dass es in ihrem Dorf keinen Erjak gab, der den Jägern hätte erklären können, wie nützlich Mir dem Klan war. Außerdem bekümmerte sie, dass sie auch in diesem Jahr Bowbaq und den Vogelklan verlassen hatte und nun meilenweit entfernt von ihrem Geliebten war. Vor allem aber bekümmerte sie, dass sie nicht besser auf Prad achtgegeben hatte.
    »MIR! PRA-AD!«, rief sie noch einmal, nachdem sie einen Hügel erklommen hatte.
    Ein heftiger Stoß von hinten warf sie um, und sie landete mit den Händen im Schnee, während ihr ein wohlbekannter Geruch in die Nase stieg und ein schwerer Körper sie zu Boden drückte. Ispen drehte sich auf den Rücken und stützte sich auf die Ellbogen, konnte aber nicht mehr verhindern, dass eine gewaltige Zunge ihr das Gesicht abschleckte.
    »Mir, du hat Maïok umgestoßen!«, sagte ein Junge vorwurfsvoll und schob den Löwen, der doppelt so groß war wie er selbst, unsanft beiseite. »Hast du dir wehgetan, Maïok?«
    »Nein, Powchi«, antwortete Ispen und schloss ihren Sohn in die Arme. »Wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht!«
    »Wir haben Große Jagd gespielt. Du warst unsere Beute. Mir und ich können nächstes Jahr mit Païok auf die Jagd gehen. Sagst du ihm das, wenn er wiederkommt? Sagst du es ihm?«
    »Und was ist mit Iulane?«, fragte die Mutter, die viel zu erleichtert war, um zu schimpfen.
    Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, als ihr Sohn einwandte, seine kleine Schwester sei noch zu klein für die Jagd. Seit über zwei Monden war Ispen von Bowbaq getrennt, und die Zeit wurde ihr allmählich lang.
    Zum Glück musste sie nur noch wenige Dekaden überstehen. Der Gletscher, der den Schneeigelklan vom Rest der Welt abschnitt, würde bald schmelzen. Dann wären die Wege wieder frei. Ispen freute sich unglaublich auf das Wiedersehen. Wie jedes Jahr würde ihr sanftmütiger Riese den Hügel hinabsteigen und ihr sein Herz zu
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