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Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)

Titel: Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
Autoren: Pierre Grimbert
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mehrmals das Leben gerettet, und nun läutete es in seinem Kopf lauter als die sechshundert Glocken von Leem.
    Seit dem Morgen hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden - nicht bewundert. Wegen seines muskulösen Körpers zog Nort’ häufig Blicke auf sich, vor allem von Frauen. Diesmal war es anders. Jemand bespitzelte ihn.
    Die Hellebarde fest in der Hand, die andere Hand stramm an der Hosennaht, bewachte er das Westtor, das zu den Gärten des kaiserlichen Palastes von Goran führte.
    Normalerweise erfüllte er seine Aufgabe mit stoischer Geduld, doch heute war ihm mulmig zumute.
    Er musterte jeden Passanten misstrauisch und suchte die umliegenden Fenster ab, um den Spitzel zu enttarnen. Vergebens. Dann beäugte er seine beiden Untergebenen, die genauso stramm wie er dastanden, in der Hoffnung, sie würden sein Unbehagen teilen. Doch sie schienen nichts als die Ablösung im Kopf zu haben.
    Ein alter, in Lumpen gekleideter Mann humpelte auf sie zu und streckte ihnen mit schmutzigen Händen einen nicht minder schmutzigen Becher entgegen. Bestimmt ein Fremder, dachte der Wachsoldat, wahrscheinlich ein Lorelier. Der Mann flehte sie in einer kruden Mischung aus Itharisch und Goronisch an, woraufhin Nort’ dem Soldaten zu seiner Linken zunickte, damit er den Mann fortjagte.
    Der Vorfall erinnerte ihn an seine Aufgabe und ließ ihn für einen Moment seine Unruhe vergessen. Obwohl es bereits Abend war, herrschte am Westtor brütende Hitze, und auch Nort’ freute sich allmählich auf die Ablösung. Seine rechte Schulter schmerzte, sein Arm war steif, und er wünschte sich nichts mehr, als diese verfluchte Hellebarde endlich aus der Hand zu legen. Außerdem sehnte er sich danach, einen Spaziergang zu machen. Der ehemalige Fußsoldat hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, dekantenlang reglos dazustehen.
    Endlich hörte er vom Palast her die sechs kurzen Glockenschläge, die das Ende des sechsten Dekants und den Beginn der Nacht ankündigten. Kurz darauf öffnete sich das Tor, und drei Männer in Uniform traten heraus. Die Nachtwachen waren wärmer angezogen als ihre Kameraden, die tagsüber Dienst taten. Es folgte die vorschriftsmäßige Übergabe der Hellebarden, und die Soldaten salutierten. Dann bezog die Ablösung Posten. Nort’ stand nicht der Sinn danach, dem Hauptmann der Nachtwache von seinem mulmigen Gefühl zu erzählen. Er würde sich nur lächerlich machen, wenn er einem altgedienten Soldaten mit seinen hasenfüßigen Anwandlungen kam, und es gab keinen Grund, viel Aufhebens darum zu machen.
    Da er Ausgang hatte, beschloss er, nicht sofort in die Kaserne zurückzukehren, sondern sich den Spaziergang zu gönnen, nach dem er sich schon eine ganze Weile sehnte. Außerdem würde er keine Ruhe finden, bis dieses verdammte Unbehagen nicht verflogen war, das ihn an den Katzenjammer nach einer durchzechten Nacht erinnerte.
    Wenn es sein müsste, würde Nort’ eben eine kleine Schlägerei vom Zaun brechen, um dieses unangenehme Gefühl zum Schweigen zu bringen.
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass er seine Schritte unwillkürlich beschleunigt hatte und Selbstgespräche führte. Seine Hand war um das Heft des Schwerts gekrampft, und er warf allen Leuten, denen er begegnete, finstere Blicke zu. Er blieb stehen, holte tief Luft und ging dann gemächlicheren Schrittes weiter.
    Normalerweise konnte ihn nichts so leicht erschüttern. »Bei Mishra, wenn heute etwas passieren soll, dann möge es bald passieren, Potzdonner«, schimpfte er vor sich hin.
    Hinter ihm ertönten laute Rufe. Nort’ drehte sich um und sah die Einwohner Gorans vor etwas fliehen, das er nicht erkennen konnte. Dann teilte sich die Menschenmenge, um zwei Züu durchzulassen.
    Züu!
    In Goran, wo ihr Einfluss und Ansehen groß waren, bemühten sich die Züu gar nicht erst, im Verborgenen zu bleiben. Nort’ sah die scharlachroten Gewänder, die Stirnbänder um die kahl geschorenen Schädel und den berüchtigten Dolch mit der schmalen, nadelspitzen Klinge, die in der Abendsonne aufblitzte. Vor allem aber sah er ihre Augen. Fanatische Augen, die erkennen ließen, dass sie vor nichts zurückschreckten, um ihr Ziel zu erreichen: ihr Opfer zu töten.
    Sie kamen auf ihn zu, aber da Nort’ in der Mitte der Straße stand, musste das nichts heißen. Er zog sein Schwert und wich langsam an den linken Straßenrand zurück. Sogleich wusste er, dass sie seinetwegen hier waren.
    Die beiden Mörder waren ihm tatsächlich schon seit einiger Zeit auf den Fersen. Nort’
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