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Die Macht des Schmetterlings

Die Macht des Schmetterlings

Titel: Die Macht des Schmetterlings
Autoren: Matt Dickinson
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Uhr vierzig in Heathrow sein. Es war eine Frage der Berufsehre.

14
    Silsbury Village, Wiltshire, Vereinigtes Königreich
    Die Waffe war eine Perazzi Custom, eine elegante, in Italien gefertigte, zwölfkalibrige Flinte mit einem neunundzwanzig Zoll langen Lauf. Sie wirkte edel mit ihrem Kolben aus poliertem Walnussholz und Silberbeschlägen, in die ein Muster mit Jagdhunden und auffliegenden Enten eingraviert war. Will zog sie aus den Halterungen, die im Schrank angebracht waren, und barg sie in seinen Armen, ehe er Jamie einen Blick zuwarf.
    »Hast du schon mal eine von denen abgefeuert?«
    »Mein Bruder hatte ein Luftgewehr.«
    »Ja schon, aber hast du damit geschossen?«
    »Ein- oder zweimal.«
    Will übergab ihm das Gewehr. Jamie legte es sich unbeholfen an die Schulter.
    »Mannomann. Ganz schön schwer, was?«
    Er blickte auf den Lauf hinunter und spürte, wie ihm ein Adrenalinstoß die Brust verengte.
    »Man gewöhnt sich daran.«
    »Erlaubt dir dein Vater, die zu benutzen?«
    Will lachte. »Du machst wohl Witze, oder? Eher würde er mich umbringen.«
    »Was, wenn er zurückkommt?«
    »Er ist zum Pferderennen gefahren. Wir haben den ganzen Tag Zeit.«
    Jamie spähte aus dem Fenster und entdeckte das Vogelhaus in der Mitte des Gartens. Als er auf einen Star zielte, wackelte der Lauf ein bisschen, weil das Gewicht der Waffe den Muskeln seines linken Arms einiges abverlangte.
    »Knallbumm.« Jamie tat so, als würde er schießen, und ließ die Waffe an seine Schulter zurückschnellen.
    »Es tut weh«, erklärte ihm Will und riss ihm das Gewehr wieder weg. »Wenn du es in echt machst.«
    Will hob eine kleine Pappschachtel vom Boden des Schrankes auf. Er öffnete sie und enthüllte eine ordentliche Reihe von fest verpackten roten Patronen. Jamie konnte die Süße des Schießpulvers und das Blei riechen, als er sich vorbeugte, um die Munition zu begutachten.
    »Wir müssen ein bisschen vorsichtig sein. Allzu viel können wir nicht nehmen.«
    Will griff in die Schachtel mit den Patronen und förderte eine Handvoll zutage.
    »Und was machen wir jetzt damit?«, fragte Jamie.
    »Wir gehen auf die Jagd. Um etwas zu töten. Und wir reden hier nicht von Eichhörnchen.«

15
    Mount Everest, Nordwand, Nepal
    Kuni streifte ihren Rucksack ab und ließ sich schwer in den Schnee fallen. Sie zog ihre Flasche heraus und nippte an dem süßen, lauwarmen Tee, während sie das Abenteuer, das sie gerade auf der zweiten Stufe erlebt hatte, noch einmal Revue passieren ließ.
    Die zweite Stufe. So nahe war sie dem plötzlichen Tod nie zuvor gewesen. Ihre Finger hatten an den losen Schieferplatten, die auf dem Felsvorsprung verstreut lagen, nach Halt gesucht. Wie viele Sekunden hatte es gedauert, ehe ihre linke Hand nach vorn geschossen war und etwas zum Greifen gefunden hatte? Zwei oder drei? Es war ihr vorgekommen wie eine Ewigkeit.
    Die junge japanische Bergsteigerin hatte sich nach oben gehievt, wobei die stählernen Spitzen ihrer Steigeisen Funken aus dem Felsen schlugen, während sie die alles entscheidenden ein oder zwei Meter an Höhe gewann. Noch ein letzter Kraftaufwand, und sie hatte es auf den Vorsprung des Felsens geschafft, wo sie sich jetzt eine wertvolle Pause gönnte und ihrem Geist erlaubte, sich von dem Schrecken des nur knapp verhinderten Sturzes zu erholen.
    Sie warf einen prüfenden Blick auf ihre Uhr: Sie stand unter Druck. Der Tag schritt rasch voran. Es war Zeit, weiter dem Gipfel entgegenzusteigen, sich den schmalen Weg zwischen den Felskanten entlangzuschlängeln, der stellenweise nicht breiter als ihre Füße war. Dabei würde der ehrfurchtgebietende Hang der Nordwand zu ihrer Rechten liegen und die sogar noch furchterregendere östliche oder Kanshung-Wand zu ihrer Linken.
    Schaudernd trank Kuni noch ein wenig Tee. Sie wusste, dass sie sich wieder in Bewegung setzen musste, der Tatsache zum Trotz, dass ihr Körper nach Erholung geradezu schrie. Sie musste sich ganz und gar auf den Gipfel konzentrieren und auf den Funkspruch, den sie ihrem Vater senden wollte und der ihn zum stolzesten Mann der Welt machen würde.
    Sie packte die Flasche wieder ein und lud sich den Rucksack auf den Rücken. Dann nahm sie ihren Eispickel in die rechte Hand und schlug ihn in das Eis des Abhangs über ihr.

16
    Silsbury Village, Wiltshire, Vereinigtes Königreich
    Will und Jamie konnten es nicht riskieren, gesehen zu werden. Zwei dreizehnjährige Jungen, die an einem Schultag frei herumliefen, würden sowieso schon die
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