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Die Macht des Schmetterlings

Die Macht des Schmetterlings

Titel: Die Macht des Schmetterlings
Autoren: Matt Dickinson
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ausgedünnten Luft der extremen Höhe, fühlte sie sich vollkommen isoliert. In gewisser Weise getrennt von der quirligen Welt zu ihren Füßen.
    Aber das war eine Illusion. Keine Welt, so abgelegen sie auch sein mag, ist gegen die heimtückischen Auswirkungen der Chaostheorie immun, und noch ehe der Tag zu Ende ging, sollte die Dynamik von Kunis Bergbesteigung von dem langen Armdes Schmetterling-Effekts grausam aus ihrer Form gerissen werden.
    Jetzt gerade war es dreizehn Uhr fünfundvierzig Ortszeit, und Kuni stand am Fuß der berüchtigten zweiten Stufe, einer nackten Mauer aus bröckelndem Felsen, die glatt vom schwarzen Eis war. Wenn sie es hinauf auf dieses tödliche Kliff schaffte, dann würde der Gipfel ihr gehören   – und damit die Ehre, im Alter von achtzehn Jahren die jüngste Frau zu sein, die jemals allein den Mount Everest bestiegen hatte.
    Dies war die gefährlichste Herausforderung, die der Bergsteiger an der Nordwand des Mount Everest zu meistern hatte, und sie hielt inne, um eisige Luft in ihre Lungen zu pumpen. Sogar für eine Star-Bergsteigerin wie Kuni stellte dies eine schwierige Prüfung dar.
    Wenn sie scheiterte, würde sie siebentausend Fuß an der nackten Nordwand in die Tiefe stürzen, und ihr Körper würde zerschmettert auf dem Friedhof der Bergsteiger, dem Gletscher unter ihr, aufprallen.

8
    Silsbury Village, Wiltshire, Vereinigtes Königreich
    »Wie ist sie gestürzt?«, fragte der Tierarzt Keiron.
    »Sie hat sich vor einem Kaninchen erschreckt.«
    »Wie schnell ist sie gelaufen?«
    »Na ja, viel mehr als ein leichter Galopp war es nicht«, log der verloren wirkende Jockey. »Einfach nur zum Aufwärmen.«
    »In Ordnung. Führen Sie sie herum.«
    Der Jockey führte das Pferd in einem Kreis rechter Hand um den Hof herum, dann in einem Kreis linker Hand, während der Tierarzt mit Kennerblick zusah.
    »Es ist möglich, dass sie sich eine Sehne gezerrt hat. Vielleicht liegt sogar ein kleiner Riss vor«, sagte Howard. »Aber selbst wenn das der Fall ist, scheint es sie jedenfalls nicht allzu sehr zu stören. Wir könnten ein MRT machen«, erklärte ihnen der Tierarzt. »Nur für den Fall, dass du auf Nummer sicher gehen willst.«
    Der Besitzer Mike Sampson überdachte den Vorschlag, aber er dachte dabei auch an den Zeitdruck, wenn man das Pferd jetzt noch hinüber in Howards Klinik schaffen müsste. Das würde bedeuten, dass sie mit ziemlicher Sicherheit das Rennen verpassten.
    »Was sagt dir denn dein Instinkt?«
    Howard musterte das Pferd mit prüfendem Blick und stellte fest, dass es keinerlei Schmerz zu verspüren schien.
    »Ich denke, sie ist in Ordnung.«
    »Würdest du mit uns nach Newbury kommen? Und sie vor dem Rennen noch einmal untersuchen?«
    Der Tierarzt blätterte in seinem Terminkalender und sah, dass er lediglich einen einzigen weiteren Termin hatte: die Routineuntersuchung einer schwangeren Stute in einem anderen Stall   – eine Verpflichtung, die sich recht leicht verschieben lassen würde. Außerdem stellte ein Tag auf der Rennbahn einen der Höhepunkte seines Berufs dar, und so, wie er Mike Sampson kannte, würde der Alkohol in Strömen fließen, ob eines seiner Pferde nun gewann oder nicht. »Ich bin dabei«, ließ er den Besitzer wissen. »Aber ich muss schnell nach Hause fahren und nachsehen, ob Will auf dem Weg zur Schule ist.«
    »In Ordnung, Jungs«, sagte Sampson zu Keiron und Gary. »Verladet die Pferde in ihre Transportboxen, wir gehen das Risiko mit Maz ein, sie macht keinen allzu schlechten Eindruck. Und bewegt eure Hintern, verdammt noch mal, ihr seid jetzt schon knapp in der Zeit.«

9
    Ashworth Village, Wiltshire, Vereinigtes Königreich
    Acht Meilen nordöstlich von Mike Sampsons Hof, in dem idyllischen Dorf Ashworth, wurde in eben diesem Moment Tina Curtis, die Pilotin einer Fluglinie, durch das eindringliche Schrillen ihres Weckers aus dem Schlaf gerissen.
    Sie zerrte ihre frisch gereinigte Flugkapitäns-Uniform aus der Plastikumhüllung der chemischen Reinigung und kleidete sich eilig an.
    Sie zog die Schlafzimmervorhänge auf und gönnte sich einen kurzen Augenblick, um die unaufdringliche Schönheit der Felder und Bäume, die sich vor ihr erstreckte, zu genießen. Viele von Tinas Pilotenkollegen hatten sie für verrückt erklärt, als sie mit ihrem Mann so weit von London weggezogen war, obwohl sie damit den Albtraum einer anderthalbstündigen Fahrt über die M4 nach Heathrow auf sich nahm. Tina aber hielt ihre Entscheidung noch immer für
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