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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge
Autoren: Petra Hammesfahr
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Entscheidung der Geschäftsleitung nicht vorgreifen, Frau Lasko. Doch so viel darf ich sagen, wir haben bereits ausführlich über Sie gesprochen: Uns liegen fünf Bewerbungen vor, die anderen Damen sind jünger, und   …» Er brach ab, wirkte mit einem Mal verlegen. «Uns liegt an einer Mitarbeiterin, die uns nicht nach kurzer Zeit aus familiären Gründen wieder verlässt, wenn Sie verstehen. Die Gefahr sehen wir bei Ihnen nicht. Wenn Sie also bereit wären, in der Einarbeitungsphase der entsprechenden Nachschulung die notwendige Zeit zu opfern. Für Fremdsprachen zum Beispiel gibt es Kurse, in denen vom ersten Moment an kein deutsches Wort mehr gesprochen wird, man lernt sehr schnell. Für die Kosten würden selbstverständlich wir aufkommen.»
    Es war praktisch die Einstellung, fand sie und versicherte eilig, dass sie mit Freuden jede freie Minute in die Einarbeitungsphase investieren wolle. Herr Reincke lächelte erfreut, erhob sich und begleitete sie zur Tür seines Büros. «Sie hören bald von uns», versprach er.
    Wie auf Wolken durchquerte sie den Empfangsraum, lächelte der jungen Frau hinter dem Acrylschreibtisch zu wie einer lieben Kollegin und schaute sich um, als sei sie schon halb daheim. Ehe sie den Ausgang erreichte, geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Das Telefon auf dem Acrylschreibtisch klingelte, und eine Bürotür wurde geöffnet. Sie stockte unwillkürlich, drehte sich noch einmal um. Die Empfangsdame griff nach dem Hörer, sagte: «Behringer und Partner, Luici am Apparat.» Und in der Bürotür erschien ein Mann.
    Sie lächelte ihn an in der Hoffnung, seinen Blick einzufangen und die Entscheidung der Geschäftsleitung positiv zu beeinflussen. Dass er wichtig war, suggerierte allein seine imposante Erscheinung. Er hatte eine ausgeprägte Stirnglatze und war fast zwei Meter groß. Mit seinem massigen Körper verdeckte er einen Großteil der luxuriösen Einrichtung sowie zwei Besucher in einer Sitzecke. Für sie hatte er nur einen desinteressierten Blick, wandte sich an die Empfangsdame.
    Frau Luici sagte gerade ins Telefon: «Herr Behringer ist in einer Besprechung. Möchten Sie es später noch einmal versuchen?» Der Zweimetermann erkundigte sich, wer am Apparat sei. Frau Luici deckte die Sprechmuschel mit einer Hand ab und flüsterte: «Hardenberg.»
    «Geben Sie her», verlangte der Mann, offensichtlich Behringer. Er riss Frau Luici den Hörer förmlich aus der Hand, erkundigte sich überschwänglich: «Hallo, Philipp, was gibt’s denn?» Im selben Atemzug forderte er die Empfangsdame auf, Getränke für seine Kunden zu holen. Frau Luici sprang auf und eilte in einen Nebenraum, dem Anschein nach die Teeküche.
    Susanne ließ den Blick nicht von dem Riesen am Telefon und sah ihn stutzen. Mit gerunzelter Stirn schaute er kurz zu ihr hin, als wundere er sich, dass sie sich nicht von der Stelle bewegte. «Auf welch verschlungenen Wegen ist das bis zu dirgedrungen?», fragte er dabei und: «Darf ich erfahren, was an diesem Objekt für dich so interessant ist?»
    Dann lauschte er, lachte kurz und erklärte: «Das ließe sich bei entsprechender Gegenleistung wohl regeln, wir haben noch andere Angebote und hatten kürzlich einen Wasserschaden.» Während er seinem Gesprächspartner zuhörte, lächelte er sie endlich an. Sie nickte ihm einen Gruß zu und ging mit einem erleichterten Atemzug zur Tür.
    Als sie die Straße erreichte, fühlte sie ein leises Bedauern, das Angebot ihrer Doppelgängerin ausgeschlagen zu haben. Sie war sehr euphorisch gestimmt und meinte nun, sie hätte sich nichts vergeben, einen Kaffee mit Nadia Trenkler zu trinken, vielleicht einen Eiskaffee. Was für ein heißer Tag! Die Zunge klebte ihr immer noch am Gaumen, und jetzt wurde es ihr wieder bewusst. Sorgen um den dürftigen Inhalt ihres Portemonnaies hätte sie sich kaum machen müssen. Nadia Trenkler hätte sie garantiert eingeladen und anschließend vielleicht sogar heimgefahren. Sie hätte ihren alten Pumps keine weiteren sieben Kilometer zumuten müssen.
    Am frühen Abend erreichte sie ihre schäbige Wohnung in der Kettlerstraße. Anderthalb Zimmer – in dem halben hatte sie mit Mühe ein schmales Bett und einen ebensolchen Kleiderschrank untergebracht   –, Miniküche mit Minibalkon, ein winziges Duschbad und der Quadratmeter hinter der Wohnungstür, der im Mietvertrag hochtrabend Diele genannt wurde. Vor dem Fenster ratterte gerade ein Nahverkehrszug vorbei. Nachdem der Lärm verklungen war, riss sie das
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