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Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert

Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert

Titel: Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
Autoren: Bas Kast
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Probanden zuvor ein Mikrophon auf die Brust geklebt, das wiederum an einer Audio-Anlage angeschlossen war. So konnten die Männer ihren eigenen Herzschlag hören, zumindest dachten sie das.
    In Wahrheit hörten sie Tonbänder, die der Wissenschaftler bereits vor dem Experiment bespielt hatte. Dabei hatte er den Ablauf
so arrangiert, dass die Männer bei bestimmten Dias plötzlich einen erhöhten Herzschlag zu hören bekamen. [39]
    Die kleine Manipulation zeigte eine große Wirkung. Als die Männer die Attraktivität der Frauen bewerten sollten, bekamen die Damen, von denen die Männer meinten, diese hätten ihr Herz zur Raserei gebracht, mit Abstand die besten Noten.
    Verblüffend war, dass die Männer, als man ihnen die Fotos der Frauen einen Monat später wieder vorlegte, immer noch an ihrer Meinung festhielten, obwohl sie sich an die Bilder kaum noch erinnern konnten. [40] Sie ließen sich sogar dann nicht von ihrem Urteil abbringen, wenn man sie über den Hintergrund des Versuchs vollständig aufgeklärt hatte. [41]
    Zugespitzt könte man den Ovid-Effekt also auch so formulieren: Wir haben kein Herzklopfen, weil wir uns verlieben, sondern wir verlieben uns, weil wir Herzklopfen haben.
    Wie wir noch sehen werden, gilt dieses Prinzip nicht nur für den Beginn der Leidenschaft. Es lässt sich auch nutzen, um eine Liebe auf Dauer lebendig zu halten.

Balzbeobachtungen in der Bar
    Nicht überall gibt es Brücken, die uns beim Verführen behilflich sind, aber es gibt überall Bars. Die vielen unbekannten Gesichter, die Musik, das schummrige Licht – auch das Drumherum einer Kneipe kann uns leicht in körperliche Erregung versetzen. Man könnte sagen: Was die Hängebrücke für den Canyon ist, das ist die Bar für die Stadt. Nicht umsonst wird an diesem Ort besonders gern geflirtet.
    Und so begaben sich David Givens [42] und, wenige Jahre nach ihm, Timothy Perper [43] in das natürliche Habitat des Verführers: in Bars und Discos, in Cafés und auf Cocktailpartys. Jahrelang beobachteten die Anthropologen das Balzverhalten des Homo sapiens – heimlich, versteht sich.
    Was gar nicht so leicht ist. Um bei ihren Feldobservationen nicht aufzufallen, mussten sich die Forscher so manchen Trick einfallen
lassen. Givens beispielsweise berichtet, wie er möglichst dezent vorging. »Wenn ein Mann oder eine Frau mich beim Gucken erwischte, sah ich nicht sofort weg«, so der Flirtforscher. »Ich hielt meine Augen in Position, und dann bewegte ich sie langsam nach oben, als sei ich tief in Gedanken versunken.« [44]
    Die Bemühungen der beiden Barbeobachter haben sich gelohnt. Sie förderten etwas Erstaunliches zu Tage. Obwohl die Verhaltensforscher unabhängig voneinander eine Flirtnische nach der anderen abklapperten – Givens an der Ostküste der USA , Perper an der Westküste und in Kanada –, sind sie am Ende zu einem fast identischen Ergebnis gekommen: Eine Verführung durchläuft immer die gleichen Phasen.
    Das Spiel zwischen den Geschlechtern, das uns auf den ersten Blick so zweideutig und undurchschaubar vorkommt, gehorcht einer klaren, durchschaubaren Gesetzmäßigkeit. Obwohl es uns nicht bewusst ist, scheint es, als folgten wir beim Flirten einer versteckten Regieanweisung. Dieses Liebesdrehbuch sieht, grob skizziert, so aus:
    Stufe 1 . Jemand erregt unsere Aufmerksamkeit, es kommt zum Blickkontakt.
Stufe 2 . Man kommt sich näher. Das Gespräch wird eröffnet.
Stufe 3 . Vertiefung des Gesprächs. Währenddessen wenden wir uns dem Gegenüber immer mehr zu. Es folgen erste, »zufällige« Berührungen.
Stufe 4 . Die Körperbewegungen von Mann und Frau geraten in einen Gleichtakt. Erreicht ein Paar diese höchste Verführungsstufe, riskiert man nicht viel mit der Wette, dass es die Bar gemeinsam verlässt.
    Sehen wir uns den Verführungsverlauf, den die Anthropologen ausgemacht haben, nun etwas genauer an. Allerdings ist die Flirtforschung seit den Ermittlungen der beiden Barbeobachter nicht
stehen geblieben. Mittlerweile gibt es zu jeder Flirtstufe methodisch präzisere Studien, die die Entdeckungen der zwei Pioniere ergänzen. So möchte ich in den nächsten Abschnitten zwar die Flirtleiter Stufe für Stufe hochklettern und damit dem Drehbuch von Givens und Perper folgen, dabei aber die neueren Befunde in den Vordergrund stellen.

Stufe 1 : Beim Flirten führt die Frau
    Wer, meinen Sie, hat beim Flirten das Heft in Händen? »Wenn nur alle Fragen so einfach wären! Der Mann natürlich«, sagen Sie, »wer denn sonst!
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