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Die letzten Tage

Die letzten Tage

Titel: Die letzten Tage
Autoren: Dana Kilborne
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ein Gefühl großer Schwermut. Dabei war es nun schon so lange her. Und im Grunde hatte ihre Mutter sie schon Jahre vor ihrem Tod im Stich gelassen.
    Mittlerweile hatte der Himmel dort, wo sich Lücken in der Wolkendecke auftaten, eine ungesunde gelblich graue Färbung angenommen. Stechender Geruch erfüllte die Luft, und in weiter Ferne erklang Donnergrollen. Lange würde der Regen nicht mehr auf sich warten lassen. Grazia hoffte, dass er das, was immer die Stadt im Moment auch vergiftete, endlich davonspülen würde.
    Sie beschleunigte ihr Tempo. Schon landeten die ersten dicken Regentropfen auf dem mit Kies bestreuten Gehweg. Wenn sie sich beeilte, würde sie noch einigermaßen trocken zu ihrem Wagen, den sie am Straßenrand vor dem Haupteingang geparkt hatte, gelangen.
    Endlich erreichte sie das schmiedeeiserne Drehtor und wollte gerade hindurchtreten, als sie aus den Augenwinkeln etwas leuchtend Rotes zwischen den Zweigen eines Ginsterbusches hervorblitzen sah.
    Sie spürte gleich, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Vorsichtig näherte sie sich dem Ginsterbusch. „Hallo? Ist da jemand?“
    Nichts rührte sich, doch das Gefühl der drohenden Gefahr verschwand nicht. Im Gegenteil – es verstärkte sich noch.
    Suchend blickte Grazia sich um und entdeckte ganz in der Nähe einen abgebrochenen Ast. Sie nahm ihn in die Hand, kniete sich hin und schob vorsichtig die untersten Zweige des Busches zur Seite.
    Zwischen den Zweigen kam etwas zum Vorschein, das auf den ersten Blick wie ein unförmiger roter Ball aussah. Sie kniff die Augen zusammen und rückte noch ein Stück näher.
    Da erkannte sie, dass sie keineswegs einen Ball vor sich hatte. Es handelte sich um überhaupt keinen Gegenstand, sondern …
    … um einen menschlichen Kopf!
    Vor Schreck schien Grazias Herz für einen Moment einfach stehen zu bleiben, dann hämmerte es so heftig, als wollte es zerspringen.
    Mit einem erstickten Keuchen stolperte sie zurück. Der Stock entglitt ihren vollkommen kraftlosen Fingern. Sofort verdeckten die zurückfallenden Zweige den schrecklichen Anblick des Toten – das bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Gesicht, die weit aufgerissenen, blicklos ins Leere starrenden glasigen Augen …
    Trotzdem wusste Grazia, dass dieses scheußliche Bild sie so bald nicht mehr loslassen würde. Ihre Neigung zu schlimmen Albträumen war eines der Dinge, die sie bei der psychologischen Untersuchung, der sich jeder Bewerber vor einem Wechsel zur Mordkommission unterziehen musste, lieber verschwiegen hatte.
    Sie schloss die Augen, atmete tief durch und wartete, bis das Rauschen in ihren Ohren langsam nachließ.
    Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren! Verdammt, reiß dich zusammen!
    Endlich ebbte das Schwindelgefühl ab, und der eisige Regen, der jetzt sintflutartig vom Himmel stürzte, tat sein Übriges, damit sie sich wieder unter Kontrolle hatte.
    Tu endlich was! Mach deinen Job!
    Mit zittrigen Fingern strich sie sich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr war eiskalt, und das lag nicht am Wind, der jetzt so heftig an den Kronen der Bäume zerrte, dass abgerissene Blätter durch die Luft wirbelten. Es war die Angst, die von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte. Kalte, nackte Angst. Doch die würde sie nicht davon abhalten, zu tun, was sie tun musste.
    Noch einmal holte sie tief Luft, dann schob sie die Zweige des Ginsterbusches erneut zur Seite.
    Bei der Leiche handelte es sich unverkennbar um einen Mann. Dies ließ sich vor allem deshalb so leicht feststellen, weil nur der Kopf des Toten von den grausamen Verbrennungen betroffen war. Der Rest des Körpers schien vollkommen unversehrt zu sein.
    Seltsam …
    Grazia runzelte die Stirn. Ganz offensichtlich war dieser Mann ermordet worden. Unmöglich konnte er sich diese Verletzungen durch einen Unfall zugezogen haben. Wer auch immer ihm das angetan haben mochte, hatte sich nicht damit zufriedengegeben, ihn einfach nur zu töten. Nein, er hatte ihn förmlich zu Tode gefoltert. So als bereite es ihm Spaß, seinem Opfer möglichst große Qualen zuzufügen, oder als wolle er ihm mit Gewalt ein Geheimnis entlocken.
    Genau wie bei den anderen.
    Mit einem Mal wurde Grazia von nervöser Aufregung erfasst. Konnte es wirklich sein, dass …?
    Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie umfasste das Handgelenk des Toten und drehte es so, dass sie die Innenseite sehen konnte. Als sie das winzige Tattoo in Form einer stilisierten Rosenblüte erblickte, atmete sie scharf ein.
    Das war ihr
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