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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin
Autoren: Ken Follett
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dann noch einmal.
    »Auf der Wiese bei La Chatelle«, sagte Clairet, »um drei Uhr morgens.«
    Das ist mit Sicherheit falsch, dachte Franck. Felicity Clairet hätte vor zweiundsiebzig Stunden bei La Chatelle abspringen sollen, hatte aber davon Abstand genommen, weil sie eine Falle der Gestapo dahinter vermutete. Dass es einen Ausweichplatz gab, wusste Franck aus der Vernehmung Gaston Lefevres, der ihm aber nur den Decknamen »Champ d’Or«, nicht aber dessen geografische Lage hatte nennen können. Clairet kannte den Ort garantiert. »Sie lügen«, sagte Franck zu ihm.
    »Dann stecken Sie mich halt in den Zug«, antwortete Clairet.
    Franck schüttelte den Kopf. »Das steht nicht zur Debatte – so leicht kommen Sie mir nicht davon.«
    Er konnte Clairet ansehen, dass der sich den Kopf darüber zerbrach, was hier gespielt wurde, und es allmählich mit der Angst zu tun bekam.
    Er ließ ihn ein paar Schritte zurückgehen und blieb vor einem Waggon voller Frauen stehen. Sie bettelten auf Französisch und Deutsch, manche riefen die Gnade Gottes an, andere erinnerten die Männer an ihre Mütter und Schwestern, ein paar versuchten es mit sexuellen Offerten. Clairet senkte den Kopf und weigerte sich, näher hinzusehen.
    Franck winkte zwei Gestalten herbei, die im Dunkeln standen.
    Clairet blickte auf, und eine entsetzliche Ahnung zeichnete sich auf seiner Miene ab.
    Hans Hesse trat aus dem Dunkel und führte eine junge Frau mit sich. Sie hätte eine Schönheit sein können, doch ihr Gesicht war gespenstisch bleich, ihr Haar hing in fettigen Strähnen herab, und ihre Lippen waren wund. Sie schien sehr schwach zu sein und konnte nur mit Mühe gehen.
    Es war Gilberte.
    Clairet stöhnte auf.
    Dieter Franck wiederholte seine Frage: »Wo und wann wird das Flugzeug landen?«
    Clairet schwieg.
    Franck sagte: »Schafft sie in den Zug.«
    Clairet stöhnte auf.
    Ein Wachtposten zog die Tür eines Viehwaggons auf. Während zwei andere die Frauen im Waggon mit Bajonetten in Schach hielten, stieß der Posten Gilberte hinein. »Nein!«, schrie sie. »Nein, bitte nicht!«
    Der Posten wollte die Tür wieder zuziehen, doch Franck sagte: »Warten Sie!« Er beobachtete Clairet. Dem strömten Tränen übers Gesicht.
    Da sagte Gilberte: »Bitte, Michel! Ich flehe dich an!«
    Michel Clairet nickte. »Ich tu’s«, sagte er.
    »Belügen Sie mich nicht noch einmal«, sagte Franck warnend.
    »Lassen Sie sie raus.«
    »Zeit und Ort.«
    »Ein Kartoffelfeld östlich von Laroque, zwei Uhr morgens.«
    Dieter Franck sah auf seine Armbanduhr. Es war Viertel nach zwölf. »Zeigen Sie‘s uns«, sagte er.
    Fünf Kilometer von Laroque entfernt lag das Dorf L’Epine in tiefem Schlaf. Heller Mondschein tauchte die große Kirche in ein silbernes Licht. Hinter der Kirche stand Mouliers Fleischlieferwagen unauffällig neben einer Scheune. Im tiefen Schatten eines Strebepfeilers saßen die letzten beiden Dohlen und warteten.
    »Auf was freut ihr euch am meisten?«, fragte Ruby.
    »Auf ein Steak«, sagte Paul.
    »Auf ein weiches Bett mit sauberen Laken«, sagte Flick. »Und du?«
    »Auf das Wiedersehen mit Jim.«
    Flick fiel wieder ein, dass Ruby ein Techtelmechtel mit dem Waffenlehrer gehabt hatte. »Ich dachte. « Sie brach ab.
    »Du dachtest, das war nur so ‘n Gelegenheitsfick?«, fragte Ruby.
    Flick nickte, peinlich berührt.
    »Das dachte Jim auch«, meinte Ruby. »Aber ich habe andere Pläne.«
    Paul lachte leise. »Du kriegst das, was du willst, darauf gehe ich jede Wette ein.«
    »Was ist mit euch beiden?«, fragte Ruby.
    Paul erwiderte: »Ich bin ledig.« Er sah Flick an.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich hatte die Absicht, Michel um die Scheidung zu bitten. Aber wie hätte ich das tun können, mitten in einem Einsatz?«
    »Dann warten wir eben, bis der Krieg zu Ende ist, und heiraten dann«, sagte Paul. »Ich bin ein geduldiger Mensch.«
    Typisch Mann, dachte Flick. Erwähnt eine Heirat so nebenbei im Gespräch, als ginge es darum, eine Hundemarke zu besorgen. Das war’s wohl mit der Romantik.
    Doch eigentlich, gestand sie sich ein, kann ich zufrieden sein. Jetzt hat er schon zum zweiten Mal unsere Hochzeit erwähnt. Wer braucht da noch Romantik?
    Sie sah auf ihre Uhr. Es war halb zwei. »Wir müssen los«, sagte sie.
    Dieter Franck hatte eine Mercedes-Limousine requiriert, die außerhalb des Schlossgebiets abgestellt gewesen und somit der Explosion entgangen war. Der Wagen parkte jetzt am Rande eines Weingartens gleich neben dem Kartoffelfeld und war mit
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