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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
Autoren: Mark Charan Newton
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sie nicht mal annehmen.«
    »Wie heißt Ihr?«, fragte Kapp.
    »Papus.«
    »Warum hat dieser Mann Euch verletzt?« Kapp wies mit dem Kopf auf den blutüberströmten Leichnam im Staub.
    Der Fremde erhob sich. Sein Lächeln gab zu verstehen, die ganze Geschichte sei zu kompliziert, um sie zu erklären. »Auch weil ich ihm nicht erlaubt habe, mit mir zu schlafen.«
    »Das kapier ich nicht.« Kapp verzog das Gesicht. »Ihr seid ein Mann. Warum sollte er –?«
    »Ich fürchte, da liegst du falsch, Junge. Aber ich bin nicht so rasch beleidigt. Mein Angebot gilt – falls du also mal eine Gefälligkeit benötigst … Doch zunächst solltest du der Auseinandersetzung hier ausweichen und Zuflucht in Ule nehmen.« Dann lief Papus mit unverfänglichem Lachen davon, während Kriegsgeschrei über die Tundra herandrang.

ZITAT
    Schnee und Eis isolieren die Geschöpfe.
    Doch wer die Illusion erweckt, das Land sei verbunden,
    ist erfolgreicher als selbst Könige und Tyrannen.
    Übersetzung von Dawnir-Runen der Südfjorde, die etwa aus dem Jahr 458 stammen

KAPITEL 1
    Garudas auf Patrouillenflug schossen vorbei, und die Katzen der Stadt schauten von den Mauern auf, wenn ihre flitzenden Schatten sie trafen.
    Einer der gefiederten Wächter landete auf der inneren Stadtmauer und wandte sich der Morgendämmerung zu. Das Wetter erzeugte die Atmosphäre, nein, war die Atmosphäre, denn die Stadt änderte ihre Stimmung seit jeher mit dem Himmel. Inzwischen war er fast immer grau.
    Der Wächter hing an Villjamur und bewunderte dessen Bewohner, die ein Produkt der Stadt waren – von den Slang sprechenden Banden bis zu den jungen Liebenden, die sich unter verlassenen Torbögen küssten. Ringsum gab es Hinweise auf die Unterwelt, unauffällige und doch dringliche Gespräche im Dunkeln. Nur an diesem Ort fühlte er mitunter eine Sehnsucht nach der Gegenwart.
    Seine scharfen Augen ließen ihn erkennen, dass auf der äußeren Stadtmauer eine weitere Hinrichtung stattfand. Er konnte sich nicht entsinnen, dass für diesen Tag Exekutionen vorgesehen waren.
    »Wollt Ihr noch etwas sagen, ehe wir die Pfeile abschießen?«, fragte eine zwischen den steinernen Befestigungen widerhallende Stimme.
    Der Garuda sah mit dumpfer Zufriedenheit von seiner höher gelegenen Zinne aus zu. Er sträubte die Federn und zitterte, als der Wind über die Befestigungsanlage fegte und seine Kälte die entferntesten Winkel der Stadt unauffällig durchdrang – ein Zeichen des bevorstehenden Winters.
    Der Gefangene, der ein gutes Stück entfernt stand, trug nur einen flatternden braunen Kittel. Er sah von links nach rechts auf die Schützen, die seitlich auf der äußeren Mauer postiert waren und ihre Bögen noch nicht erhoben hatten. Am stadtseitigen Fuß der Mauer liefen Leute im frierenden Matsch Kreise und blickten nach oben.
    Ein dünner, bleicher Mann in grünbrauner Uniform, der befehlshabende Offizier, stand ein Stück entfernt auf der Mauer. Der Gefangene richtete behutsam das Wort an ihn.
    Er fragte bloß: »Hat das denn Sinn?«
    Ein Mädchen schrie aus der unten versammelten Menge, doch nur der Offizier machte sich die Mühe, zu ihr herunterzuschauen. »Ein Leidenschaftsverbrechen, was?«
    »Geschieht nicht jedes Verbrechen aus Leidenschaft«, gab der Gefangene zurück, »und nicht aus Vernunft?«
    Eine Böe trieb dem Offizier unvermittelt kalten Regen ins Gesicht, und die Stimmung wurde aggressiv.
    »Was Ihr nicht sagt«, knurrte er. Die plötzliche Wetterverschlechterung verärgerte ihn offensichtlich.
    Dann folgten rasch einige schneidige Befehle.
    Während das Mädchen noch immer von unten herauf jammerte und flehte, legten die beiden Schützen ihre Pfeile ein, spannten und schossen.
    Der Schädel des Gefangenen barst bei ihrem Einschlag, und Blut spritzte auf die Menge hinab. Der Mann brach zusammen und stürzte über die Mauerbrüstung. Zwei Seile hielten seinen Fall auf halber Höhe auf.
    Eine brutale Vorführung, eine Warnung an alle: Legt euch nicht mit dem Kaiserreich an! Die Herrschaft des Staates ist unumschränkt.
    Der Inszenierung folgte ein Schrei, der die schweren Regenwolken zu zerreißen schien.
    Die Banshee hatte den Tod des jungen Mannes verkündet.
    Da die Hinrichtung vorbei war, breitete der Garuda seine mehrere Armlängen umspannenden Flügel wieder aus und streckte sich, bis das Rückgrat knackte. Dann ging er in die Hocke und schnellte mit ungemeiner Wucht in die Luft, wobei der Regen ihm nur so aus den Federn sprühte.
    Er stieg zum
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