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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos
Autoren: Sofia Caspari
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Moment schon schmiegte Mina sich zum ersten Mal an Frank und überließ sich seiner Umarmung. Sie lauschte seinen ruhigen Atemzügen, genoss das Gefühl, das seine raue Hand, die sanft über ihren Oberarm streifte, auf ihrer Haut hinterließ.
    Ich möchte ihn küssen, dachte sie.
    »Küss mich«, flüsterte sie im nächsten Moment schon.
    Erst zögerte er. Dann kam er ihrer Bitte nach. Der erste Versuch geriet ungelenk. Ihre Münder verfehlten einander, doch dann war es, als hätten sie nie etwas anderes getan. Sie schmeckten einander, tranken den Atem des anderen, suchten, berührten und erforschten einander mit den Lippen.
    Ich liebe ihn, dachte Mina, als sie sich endlich voneinander lösten. Jetzt weiß ich es endlich, jetzt bin ich mir sicher.
    Erneut saßen sie schweigend nebeneinander, hingen beide dem eben Erlebten nach. Gedankenverloren strich Mina sich mit einem Zeigefinger über den Mund.
    »Sobald es uns möglich ist, gehen wir hier weg«, schnitt Frank ein Thema an, über das sie auch vorher und besonders in letzter Zeit häufiger gesprochen hatten.
    Mina nickte, antwortete aber nicht. Wie oft schon hatten sie sich ausgemalt, diesen Ort hinter sich zu lassen, anderswo ein neues, ein eigenes Leben zu beginnen. Über eine Sache war Mina sich dabei allerdings noch nicht im Klaren. Auch jetzt wieder fuhr ihr dieser Gedanke durch den Kopf: Wie sage ich es Mutter? Sie muss mitkommen, ich kann nicht ohne sie gehen. Ich kann sie nicht allein bei diesen Teufeln zurücklassen.
    Ich stürze von einem Elend ins andere, dachte Annelie Amborn nicht zum ersten Mal in ihrem neununddreißig Jahre währenden Leben, von einer Hölle in die nächste. Tränen schossen ihr in die Augen. Ihr Mann Xaver hatte sie beim Handgelenk gepackt und drückte jetzt unbarmherzig zu, so wie er es gern tat. Sie hatte sehr bald in ihrer Beziehung erkennen müssen, dass er es genoss, ihr Schmerz zuzufügen. Das erste Mal hatte sie das wenige Tage nach ihrer Hochzeit erfahren. Annelie richtete den Blick auf das Licht der Öllampe auf dem Tisch, als könne sie so entfliehen, konzentrierte sich auf die kleine Flamme, um den Schmerz und die Angst nicht zu spüren.
    »Sag schon, wo ist das Luder? Ich finde es ja doch heraus. Du lässt ihr zu viel durchgehen, Annelie. Mina ist nicht mehr in dem Alter, in dem man sie umherstreifen lassen kann wie eine Wilde. Sie muss ihre Arbeit leisten, hier und jetzt, wie jeder, der etwas zu beißen will. Einen unnützen Esser können wir nicht gebrauchen. Einen unnützen Esser setzt man vor die Tür.«
    Xaver wies mit der freien Hand auf das schmutzige Geschirr, das sich neben dem Spülstein stapelte. Fliegen umschwirrten einen abgenagten Knochen, an dem noch Fleischreste hingen. Vater und Sohn waren erst kurze Zeit zu Hause, und bereits jetzt sah es aus, als hätten Mina und sie den ganzen Tag lang die Hände in den Schoß gelegt. Obwohl Annelie das Abendessen noch nicht aufgetischt hatte, hatten sich beide schon vorab etwas zu essen genommen und bereits nach kurzer Zeit eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Dabei waren Mina und sie seit dem Sonnenaufgang auf den Beinen. Sie hatten geputzt, im Garten gearbeitet, die Milchkühe versorgt und zur Weide gebracht, Wasser geholt.
    Und ich wollte doch nur, dass meine geliebte Mina wieder das Leben führen kann, das sie verdient.
    Annelie zwang sich, nicht zu ihrem Stiefsohn hinüberzusehen, um ihn nicht unnötig zu reizen. Philipp saß in seinem Stuhl, zurückgelehnt. Die langen Beine hatte er so in den Raum gestreckt, dass man unweigerlich darüber zu stolpern drohte, wenn man an ihm vorbeimusste. Sein schwarzes Haar hing ihm bis auf die Schultern herab und hätte einen ordentlichen Schnitt verdient. Ein stoppliger Bart bedeckte sein kantiges Kinn. Auf eine verdorbene Art sah er sehr gut aus. Annelie wusste, dass schon viele Frauen darauf hereingefallen waren.
    Seine Mutter, überlegte sie, muss sehr schön gewesen sein. Sie war vier Jahre vor ihrer und Minas Ankunft gestorben. Bei einem Sturz, hieß es.
    »Wirst du mir schwören, ab jetzt besser auf dein Balg aufzupassen?«, knurrte Xaver sie noch einmal an und drückte die Finger nochmals zusammen.
    Annelie nickte, während sie sich zitternd von ihrem Mann zu lösen suchte. Er bemerkte ihre zaghaften Versuche und hielt sie grinsend fester, bis er sie dann doch sehr plötzlich losließ. Ein letzter Stoß brachte sie ins Straucheln. Gerade noch konnte sie sich am Tisch festhalten.
    Wie habe ich nur einmal denken
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