Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos
Autoren: Sofia Caspari
Vom Netzwerk:
gab ein Handzeichen, den Angriff sofort zu stoppen.
    »Lass das Gewehr fallen, Amborn«, sagte er dann mit kräftiger Stimme.
    Philipp lachte. »Hältst du mich für dämlich? Ihr bleibt schön, wo ihr seid, bis auf den lieben Blondschopf da«, er deutete auf Arthur, »der mir sein Pferd geben wird.«
    Eduard schüttelte den Kopf. »Jetzt hältst offenbar du mich für dämlich, Philipp Amborn.«
    »Und, was willst du dagegen tun?« Philipp stieß das Gewehr härter gegen Annelies Hals. »Gebt mir das Pferd. Wenn ich in Sicherheit bin, lasse ich das Weibsstück frei.«
    »Das wird er niemals tun«, flüsterte Paulino Eduard zu.
    Trotzdem stiegen sie jetzt alle von ihren Pferden. Paulinos Finger spielten mit dem Knauf seiner Pistole.
    »Ich könnte es versuchen, ich bin ein guter Schütze«, murmelte er mit unterdrückter Stimme.
    Eduard schüttelte den Kopf. Seine Gedanken rasten. Er würde auch nicht schießen können. Seit Gustavs Tod war es ihm unmöglich, auf Menschen zu zielen. Was also blieb ihnen zu tun? Mit einem Kopfnicken bedeutete er Arthur, sein Pferd etwas näher an Philipp Amborn heranzuführen.
    Und dann ging alles ganz schnell. Philipp ließ Annelie los und stürzte auf das Pferd zu. Er schwang sich in den Sattel, riss das Tier herum, richtete den Lauf seines Gewehres auf Annelie und schoss.
    »Nein«, brüllte Eduard. Fassungslos musste er ansehen, wie Annelie zusammenbrach.
    Eduard bemerkte nicht mehr, dass Paulino Philipp mit einem gezielten Pistolenschuss vom Pferd holte – der Mann war tot, bevor er den Boden berührte –, denn er kniete schon neben Annelie, während die Tränen über sein Gesicht zu laufen begannen. Der Schuss hatte Annelies Schulter zerfetzt. Unaufhaltsam quoll das Blut aus der großen Wunde hervor. Eduard wusste, dass er ihr dieses Mal nicht würde helfen können.
    Plötzlich riss Annelie die Augen weit auf. Ihre Lippen bewegten sich. Ihre Stimme war so leise, so schwach. Er beugte sich über sie und nahm sie in die Arme.
    »Es … es tut mir leid«, brachte sie mit letzter Kraft hervor. »Sag Mina … Frank lebt.«
    Das Haus war still an diesem Abend. Nachdem sie sich gemeinsam von Annelie verabschiedet hatten – sie würden in dieser Nacht abwechselnd an ihrer Bahre Wache halten –, waren keine Stimmen mehr zu hören. La Dulce war wie ausgestorben. Irgendwann, Paulino hatte gerade die Totenwache übernommen, trat Eduard auf die Veranda. Tief atmete er durch. Die Nachtluft strich über sein erhitztes Gesicht. Dann bemerkte er Mina.
    »Du kannst auch nicht schlafen?«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf, ihr Gesicht war tränennass.
    Er bemerkte, dass sie die goldene Uhr, die sie bei Philipps Leiche gefunden hatten, an ihrer Kette hin- und herschwingen ließ. Sie hatte ihm gesagt, dass sie einem Claudius Liebkind gehört hatte, der vor nunmehr elf Jahren von Phillip getötet worden war. Und er hatte Annelies letzte Bitte erfüllt und ihr gesagt, dass Frank noch lebe.
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte er.
    »Ich werde nach Esperanza reisen und Claudius’ Eltern die goldene Uhr zurückbringen. Und dann werde ich Franks Eltern aufsuchen. Ich muss mich jetzt nicht mehr verstecken, und die Uhr zeigt, dass sich auch Frank nicht mehr verstecken muss. Ich hoffe, sie wissen, wo er ist. Wenn nicht, werde ich ihn in Buenos Aires suchen, bis ich ihn wiedersehe.« Mina runzelte die Stirn. »Der nächste Unabhängigkeitstag«, fügte sie dann nachdenklich an, »jährt sich ja bereits in zwei Wochen. Dann werde ich zuerst nach Buenos Aires reisen.«
    Arthur zog die Tür lautlos wieder zu, als er Mina und Eduard in ein ernstes Gespräch vertieft auf der Veranda bemerkte. Irgendwie hatte er den Eindruck, es sei besser, die beiden in diesem Moment allein zu lassen. Auch er selbst wollte lieber allein sein. Annelies Tod hatte die Erinnerungen an Olga wieder hervorgerufen, so klar und deutlich wie seit Jahren nicht mehr. Eduard hatte Annelie heute unwiderruflich verloren, aber er … Was, wenn Olga noch lebte? Sollte er sie nicht suchen, bis er endlich Gewissheit darüber hatte? Eduard hatte sicher nichts dagegen, wenn er sein Stück Pachtland vorübergehend einem Knecht übergab.
    Ich könnte in den großen Städten anfangen, überlegte Arthur, in Buenos Aires natürlich, in Santa Fe, in Córdoba oder Rosario … Er könnte auch Casimir besuchen. Vielleicht hörte Olga irgendwie von den Ansiedlungen der Wolgadeutschen dort, und sie fanden sich in Entre Ríos wieder …
    Drei Tage nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher