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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
Autoren: Julie Klassen
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mir vergeben, auch wenn Vater es nicht will?
    Als Charlotte sich dem hoch aufragenden grauen Gebäude, das für die nächste Zeit ihr Heim werden sollte, näherte, fielen ihr unwillkürlich die geheimnisvoll verschlossenen Fensterläden im Erdgeschoss auf.
    Und dann sah sie die Seidenblumen.
    Hier gab es keinen richtigen Garten oder wenn es einmal einen gegeben hatte, war er längst kleinen Inseln hohen Grases und ungehindert sprießenden Flecken mit Seidenblumen gewichen, die sich an der gesamten Mauer entlangzogen, vor der Charlotte stand.
    Ihr Vater wäre entsetzt gewesen, ja nicht einmal ihre Mutter hätte sich diesem wuchernden Unkrautdickicht genähert. Charlotte seufzte. Sie nahm an, dass die Gartenanlage noch das geringste der Probleme war, vor denen die Frauen standen, die dieses Haus bewohnten. Und das gilt auch für mich .
    Aber ausgerechnet Seidenblumen? Das Gewächs war der Schrecken eines jeden Gärtners. Seine hartnäckigen Wurzeln bildeten heimtückische Ableger, die kaum leichter auszureißen waren als die pfählerne Hauptwurzel. Außerdem breitete es sich nicht nur durch unterirdische Sprossen aus, jedes Jahr im Herbst war zudem die Luft voll von seinen fruchtbaren Samen. Genau das war offenbar hier geschehen – unverwüstliche Seidenblumensamen waren eingedrungen und hatten sich ungehindert des größten Teils der Rasenfläche bemächtigt.
    Hätten sie nicht wenigstens einen Jungen anstellen können, der diese Pest ab und zu mit einer Sense mäht? , fragte sich Charlotte. Die Pflanzen waren ja ganz hübsch, wenn sie blühten, doch wenn erst einmal die graugrünen Samenkapseln zu einem stumpfen Silber vertrocknet waren, besaßen die schilfigen Stängel keinerlei ästhetischen Reiz mehr.
    Vielleicht hatte der Anwalt, ein Freund ihres Onkels, ihnen ja falsche Informationen über diesen Ort gegeben. Oder Tante Tilney hatte irgendetwas falsch verstanden. Ihre Tante hatte ihr in verschwörerischem Ton anvertraut, dass es hier besser und auch diskreter zugehe als in anderen vergleichbaren Einrichtungen. Charlotte hatte den Eindruck gewonnen, dass die Empfehlung von einem Londoner Anwalt gekommen war. Ihr Vater wusste nichts über das Arrangement, er hatte Charlotte lediglich das Versprechen abverlangt, die Sache so lange wie möglich geheim zu halten. Ansonsten schien es ihn wenig zu kümmern, wohin sie gehen und wie sie für sich sorgen würde. Er konnte es sichtlich kaum erwarten, dass sie aus seinem Leben verschwand.
    Charlotte fragte sich, ob ihre Mutter den Mann, mit dem sie so lange verheiratet gewesen war, heute noch wiedererkennen würde. Nicht, dass Gareth Lamb sich äußerlich sehr verändert hatte, abgesehen vielleicht von den leicht ergrauten Schläfen und einer ein wenig gewachsenen Leibesfülle, doch sein Verhalten war ein völlig anderes geworden. Er war schon immer ein strenger – ja selbstgerechter – Mann gewesen, aber jetzt war diese Eigenschaft ungleich viel stärker hervorgetreten. Seine Gedanken kreisten einzig und allein um eine Frage: Würde der ›Zwischenfall‹ seine Karriere und Beas Chancen auf eine passende Heirat ruinieren?
    Es tut mir so entsetzlich leid. Ich nehme an, Vaters Zorn ist berechtigt und gerecht. Aber es fühlt sich nicht so an. Wenn du nur hier wärst, um ihn milder zu stimmen. Um mir beizustehen.
    Doch ihre Mutter war tot. Und so hatte Charlotte niemand, der sie auf ihrem Weg begleitete.

    Auf ein einmaliges Klopfen hin öffnete eine dünne Frau mit reizlosem Gesicht, kaum älter als Charlotte, die Tür. Sie führte sie aus der Eingangshalle in ein großes Esszimmer und von dort weiter in ein kleines Arbeitszimmer, in dem sie sie mit den Worten, »die Vorsteherin wird gleich da sein«, allein ließ. Und tatsächlich, keine zwei Minuten später betrat eine streng aussehende, aber durchaus attraktive Frau in den Vierzigern den Raum. Ihr dunkles Kleid und das straff zurückgenommene Haar verliehen ihr ein hoch offizielles, Furcht einflößendes Auftreten, das ihrem Titel alle Ehre machte. Die strenge Erscheinung der Frau flößte Charlotte Angst ein, doch als sie sich setzte, gewahrte sie eine Art grimmiges Wohlwollen in ihren Augen.
    »Ich bin Mrs Moorling, die Vorsteherin von Manor House. Kann ich Ihnen helfen?«
    Charlotte erhob sich auf zitternden Beinen und drückte der Frau einen Brief des Anwalts und eine Banknote in die Hand. Sie brachte kein Wort heraus.
    Mrs Moorling legte das Geld kommentarlos in eine Schreibtischschublade und blickte dann kurz auf
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