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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)
Autoren: Julie Klassen
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sehr sie sich auf »das große Ereignis freue, das diesen Herbst eintreten soll«. Beatrice hatte die hübschen Lippen verzogen und gemeint, es verursache ihr Übelkeit, von derart privaten Dingen zu lesen, zumal von einer Frau in Katherines fortgeschrittenem Alter. Charlotte hatte dazu geschwiegen.
    Nun blieb sie gerade lange genug stehen, um über Katherines schön geschwungene Handschrift und den etwas verschmierten Londoner Poststempel auf dem Briefumschlag zu streichen. Mit einem leisen Seufzer setzte sie ihren Weg fort. Sie war schon fast an der Tür, als sie die Stimme ihres Vaters hinter sich hörte. Er war im Salon.
    »Du gehst also.« Es war keine Frage.
    Sie drehte sich um. Durch die offene Tür konnte sie ihn sehen. Er saß zusammengesunken auf dem Sofa vor dem Kamin. Sein ergrauendes Haar war wirr und ungekämmt – völlig untypisch für ihn – und er war noch im Morgenmantel. Sie spürte, wie sich ihr Hals zusammenzog, und konnte nur nicken. Ob er wohl jetzt, im Augenblick des Abschieds, ein Zeichen der Zuneigung zeigen würde? Würde er ihr Hilfe anbieten, wenigstens ein versöhnendes Wort finden oder ein letztes Bedauern zum Ausdruck bringen?
    Mit einer Stimme, die noch rau war vom Schlaf, aber auch vor Verachtung, sagte er: »Mein einziger Trost ist, dass deine Mutter, Gott schenke ihrer Seele Frieden, diesen Tag nicht erleben muss.«
    Die Worte trafen sie wie ein Messer, dabei hätte sie es eigentlich nicht mehr so empfinden dürfen. Er hatte dergleichen, ja Schlimmeres, oft genug gesagt. Charlotte drängte die Tränen gewaltsam zurück. Sie verließ das Pfarrhaus und schloss leise die Tür hinter sich. Im Garten sah sie sich ein letztes Mal um und nahm alles noch einmal in sich auf. Da waren die sauber getrimmten Hecken, die Buxley noch immer in die Form schnitt, die ihre Mutter so geliebt hatte. Die meisterhaft angelegten Blumenrabatten mit ihren erlesenen Farbzusammenstellungen aus Pflanzen unterschiedlicher Höhe und Wuchsart – Rittersporn, Prachtspieren, Kornblumen, Glockenblumen, gelbe Taglilien. Charlotte hatte sie im Gedenken an ihre Mutter liebevoll gehegt und gepflegt – bis zum heutigen Tag. Tief sog sie den schweren, süßen Duft von Veilchen und lilafarbenen Skabiosen ein. Sie hatte nicht die Absicht, eine Blume zu pflücken und mitzunehmen, eine Blüte, die ohnehin nur verwelken würde, bis sie an ihrem Bestimmungsort angelangt war, doch dann sah sie sie. Die Seidenblume am äußersten Rand des so aufwendig zu jätenden Gartenkressebeetes, die Buxley immer Billy-komm-bald-zurück nannte. Wie hatte sie sie übersehen können? Sie ging zu dem Unkraut hinüber und zerrte mit ihrer freien Hand daran, aber der Stängel gab nicht nach. Sie stellte ihre Tasche und den kleinen Koffer auf den Boden und zog mit beiden Händen, bis das ganze widerspenstige Ding samt Wurzeln herauskam. Sie wollte den Garten ihrer Mutter in vollkommenem Zustand zurücklassen. Doch für wie lange? Wer wird für deinen Garten sorgen, Mutter? Buxley wird sicher tun, was er kann, aber er wird nicht jünger und er muss die Pferde versorgen und die ganze andere schwere Arbeit tun, und darunter leidet natürlich der Garten. Und Beatrice hat absolut keinen Sinn für den Garten, das weißt du ja.
    Aus einer sentimentalen Anwandlung heraus pflückte Charlotte eine kleine purpurfarbene Blütendolde von der Seidenpflanze ab, schnupperte kurz daran – sie roch überraschend süß – und steckte sie dann in ihren Beutel. Den Stängel warf sie auf den Komposthaufen, an dem sie auf dem Weg nach Church Hill vorbeikam. Bei einem letzten Blick zurück auf das weiße Pfarrhaus bemerkte sie in einem der oberen Fenster eine Gestalt. Beatrice . Ihre Schwester stand bewegungslos, mit versteinertem Gesicht. Als sie sich schließlich vom Fenster abwandte, drehte sich auch Charlotte um. Einen Augenblick lang wünschte sie sich, sie hätte sich als Erste abgewandt. Zwei Minuten später, zur erwarteten Ankunftszeit, kam die Postkutsche.
    »Hallo, Miss Lamb«, rief der Postkutscher, als er seine kräftigen Pferde angehalten hatte.
    »Guten Morgen, Mr Jones.«
    »Möchten Sie mitfahren ins Dorf?«
    »Ja, vielen Dank.«
    Er nahm ihr Gepäck und half ihr hoch. »Sie besuchen wohl wieder mal Ihre Tante?« Er stellte die Reisetasche neben sie.
    Sie wollte nicht mehr lügen als unbedingt nötig. »Ich freue mich immer so, wenn ich bei ihr bin.«
    »Das glaube ich gern. Ihre Tante und Ihr Onkel sind feine Menschen. Hab' nie bessere
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