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Die Kunst, anders zu leben

Die Kunst, anders zu leben

Titel: Die Kunst, anders zu leben
Autoren: Chris Guillebeau
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Universitätsbibliothek, scannte sie ein und mailte sie an meinen 15-jährigen Bruder Ken in Montana. Ken hatte eine eigene Webseite, auf der er kritische Analysen von Zeichentrickfilmen veröffentlichte, und lud meine ziemlich dilettantischen Fotos hoch, damit ich sie bei eBay einstellen konnte.
    Schon in der ersten Woche verdiente ich damit 13 Euro pro Stunde – mehr als doppelt so viel wie mein Stundenlohn bei FedEx. Am Auktionstag sollte ich nach einem verlängerten Wochenende wieder bei FedEx arbeiten. Es war Dezember, und in Memphis tobte ein für diese Gegend seltener Eissturm, der die Stadt fast völlig lahmlegte. Eissturm oder nicht, das Leben bei FedEx ging weiter; also setzte ich mich ins Auto, um aus der Einfahrt des Hauses herauszufahren, in dem ich wohnte. Doch ungeachtet der Bedürfnisse der Einzelhändler, deren Geschäft in den Weihnachtsferien natürlich auf Hochtouren lief, hatte mein Auto andere Pläne: Als ich zurücksetzen wollte, geriet es ins Schlittern und wäre beinahe in den in der Nähe geparkten Lastwagen hineingefahren, der meinem Nachbarn gehörte. »Warum tue ich mir das eigentlich an?«, fragte ich mich. Ich stellte den Motor ab, stieg aus und ging wieder in meine Wohnung. Seitdem bin ich nie wieder in die traditionelle Arbeitswelt zurückgekehrt.
    Bald gab es in meiner Wohnung nichts mehr, was ich hätte verkaufen können; also sah ich mich nach Großhändlern um, deren Sachen ich weiterverkaufen konnte. Innerhalb kurzer Zeit hatte ich ein gutes Geschäft aufgetan: jamaikanischer Kaffee, den ich für sieben Euro pro Pfund kaufen und für zwölf Euro an Liebhaber in den Vereinigten Staaten verkaufen konnte. Also wurden mir jetzt jede Woche 50-Pfund-Säcke mit Kaffeebohnen in die Wohnung geliefert. Dann geschah eines Tages etwas, was mir für immer und ewig als »die große Kaffee-Katastrophe des Jahres 1999« in Erinnerung bleiben wird: Der Heilsarmee-Tisch brach unter dem Gewicht von 80 Packungen frisch gemahlenem Kaffee zusammen, meine Katze bekam von dem Lärm beinahe einen Herzinfarkt, und mein Fußboden war fortan von einer braunen Kaffeestaubschicht bedeckt. Doch ich machte mir keine allzu großen Sorgen wegen des Schadens: Inzwischen konnte ich mir einen viel schöneren Tisch für 30 Euro bei Home Depot leisten.
    Aber meine Geschäfte beschränkten sich nicht auf Kaffee. Ich lernte auch, wie man Webseiten gestaltet und eine E-Mail-Liste potenzieller Kunden erstellt. In den nächsten Jahren lebte ich von verschiedenen kreativen selbstständigen Beschäftigungen. Zum Millionär konnte ich damit zwar nicht werden, und es steckte auch keine besondere Strategie dahinter, aber es funktionierte. Zu jener Zeit war ich auch schon seit ein paar Jahren als Hobbymusiker tätig und begann jetzt öfter in verschiedenen Lokalen meiner Heimatstadt zu spielen. Normalerweise arbeitete ich morgens, beschäftigte mich jeden Nachmittag ein paar Stunden lang mit Jazz und Musiktheorie und trat abends auf. An den Wochenenden reiste ich zu verschiedenen Musikfestivals in meiner Umgebung, um dort zu spielen.
    Das alles machte mir ungeheuer viel Spaß. Ich machte gern Musik und genoss es, mir meine Arbeit so einteilen zu können, wie ich wollte. Trotzdem fehlte mir irgendetwas – ich tat zwar vieles, was mir Freude bereitete, aber irgendwie gab es keinen roten Faden in meinem Leben. Zwar engagierte ich mich ehrenamtlich in meiner Kirche und spendete auch Geld für wohltätige Zwecke, doch gemessen an der großen Not, die überall auf der Welt herrschte, erschien mir das viel zu banal und bei Weitem nicht ausreichend. Nach dem Attentat vom 11. September 2001 surfte ich deprimiert im Internet herum und suchte nach Möglichkeiten, wie ich noch mehr für meine Mitmenschen tun könnte. Da las ich zufällig etwas über einen Chirurgen, der schon seit über 17 Jahren in afrikanischen Kriegsgebieten arbeitete.
    Diese Geschichte faszinierte mich. Es gibt viele Ärzte und Angehörige anderer Berufsgruppen, die ab und zu ein paar Monate lang im Ausland arbeiten, aber dieser Mann hatte sich freiwillig entschieden, den größten Teil seines Berufslebens in den ärmsten Ländern der Welt zu verbringen. Als ich dann auch noch erfuhr, dass er an Bord eines Klinikschiffs lebte, das ehrenamtliche Langzeitmitarbeiter suchte, war ich sofort Feuer und Flamme.
    Zusammen mit Jolie, die damals als Lehrerin an einem Gymnasium arbeitete, verpflichtete ich mich für zwei Jahre, aus denen am Ende vier wurden. Meine Arbeit und
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