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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur
Autoren: Dean Koontz
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verklingenden Zydeco gegen Jazz, der an Lautstärke zunahm, wuchsen die Bestürzung und die Furcht des Mädchens. »Was … was ist eben gerade passiert? Wir sind plötzlich im French Quarter.«
    »Um diese Tageszeit«, warnte er das Mädchen, während er
sie über den Jackson Square führte und an der Statue des Generals vorbei, »bist du im Quarter keine Spur sicherer als in jener dunklen Gasse. Weißt du, wohin du gehen kannst?«
    Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als hätte sich arktische Kälte in die Luft des Mississippideltas eingeschlichen, und sagte: »Nach Hause.«
    »Hier in der Stadt?«
    »Nein. Oben in Baton Rouge.« Sie war den Tränen nah. »Ich dachte immer, da sei es langweilig, aber jetzt kommt es mir gar nicht mehr so vor.«
    Neid kam noch verschärfend zu Deucalions rasender Wut hinzu, denn er hatte nie ein Zuhause gehabt. Es hatte Orte gegeben, an denen er sich aufgehalten hatte, aber keiner dieser Orte war wirklich ein Zuhause gewesen.
    Ein glühendes, abscheuliches Verlangen, das Mädchen kurz und klein zu schlagen, rüttelte an den Stäben der Zelle in seinem Innern, in die er seine bestialischen Impulse mit aller Macht einzusperren bestrebt war. Sie kurz und klein zu schlagen, weil sie in einer Form nach Hause gehen konnte, die ihm immer versagt geblieben war.
    Er sagte: »Hast du ein Handy?«
    Sie nickte und zog es von ihrem geflochtenen Gürtel.
    »Du sagst deinen Eltern, dass du dort drüben in der Kirche auf sie warten wirst«, sagte er.
    Er brachte sie zu der Kirche, blieb auf der Straße stehen, ermutigte sie einzutreten und sorgte dafür, dass er verschwunden war, bevor sie sich umdrehte, um ihn noch einmal anzusehen.

2
    In seiner Villa im Garden District begann Victor Helios, ehemals Frankenstein, diesen schönen Sommermorgen damit, dass er mit seiner neuen Ehefrau Erika schlief.
    Elizabeth, seine erste Ehefrau, war vor zweihundert Jahren an ihrem Hochzeitstag in den österreichischen Bergen ermordet worden. Er dachte kaum noch an sie.
    Er war schon immer zukunftsorientiert gewesen. Die Vergangenheit langweilte ihn. Außerdem hielten weite Strecken einer genaueren Begutachtung nicht stand.
    Wenn man Elizabeth mitzählte, war Victor in den Genuss von sechs Ehefrauen gekommen. Nein, ganz so konnte man das nicht sagen – manche von ihnen hatte er lediglich geduldet. Seine Ehefrauen Nummer zwei bis sechs hatten den Namen Erika getragen.
    Äußerlich waren sämtliche Erikas identisch gewesen, da sie alle in seinem Labor in New Orleans mit Hilfe der Gentechnik erschaffen und in seinen Klonbottichen gezüchtet worden waren. Das sparte jedes Mal, wenn eine von ihnen ausgeschaltet werden musste, die Ausgaben für eine neue Garderobe.
    Obgleich er außerordentlich reich war, verabscheute Victor Geldverschwendung. Seine Mutter, eine ansonsten nutzlose Frau, hatte ihn stets zur Sparsamkeit ermahnt.
    Nach dem Tod seiner Mutter hatte er sowohl die Ausgaben für einen Gottesdienst als auch für einen Fichtensarg gescheut. Zweifellos hätte sie das schlichte Loch im Boden gutgeheißen, das nur bis zu einer Tiefe von vier anstelle der üblichen sechs Fuß ausgehoben worden war, um die Kosten für den Totengräber zu senken.
    Obwohl die Erikas identisch aussahen, hatte jede von ihnen andere Mängel aufgewiesen. Von Mal zu Mal nahm er Verbesserungen und Verfeinerungen vor.
    Gerade erst gestern Abend hatte er Erika vier getötet. Ihre
Überreste hatte er an eine höher gelegene Mülldeponie außerhalb der Stadt gesandt, die von einer seiner Firmen betrieben wurde. Dort waren auch die ersten drei Erikas und andere Enttäuschungen unter einem Meer von Abfällen begraben.
    Ihre Leidenschaft für Bücher hatte zu übertriebener Selbstbeobachtung geführt und sie zu einer unabhängigen Geisteshaltung ermutigt. Victor weigerte sich, das zu dulden. Außerdem hatte sie ihre Suppe geschlürft.
    Vor nicht allzu langer Zeit hatte er seine neue Erika aus ihrem Tank auferstehen lassen, wo das digitalisierte Wissen ganzer Universitäten durch den Download von Daten in ihr aufnahmefähiges Gehirn geschleust worden war.
    In seinem nie versiegenden Optimismus glaubte Victor fest daran, dass Erika fünf sich als ein perfektes Geschöpf erweisen würde, würdig, ihm lange Zeit zu dienen. Bildschön, kultiviert, weit überdurchschnittlich gebildet und gehorsam.
    Und mit Sicherheit war sie wollüstiger als die bisherigen Erikas. Je mehr er ihr weh tat, desto eifriger reagierte sie auf ihn.
    Als Angehörige der
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