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Die Kommissarin und der Tote im Fjord

Die Kommissarin und der Tote im Fjord

Titel: Die Kommissarin und der Tote im Fjord
Autoren: Kjell Ola Dahl
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war heller geworden, Dezemberdämmerung. Hundert Meter entfernt legte scheppernd die Nesodd-Fähre an. Eine dunkle Herde winterlich gekleideter Menschen strömte heraus und verteilte sich auf dem Weg in Richtung Vika-Terrasse oder Nationaltheater.
    Die Einzigen, die auf die Bühne starrten, auf der sie stand, waren die Presseleute hinter der Absperrung.
    Als der Leichenwagen abfuhr, um den Toten in die Gerichtsmedizin zu bringen, hatten zwei Männer von der Spurensicherung den Kai in Besitz genommen. Lena und Emil schlenderten zurück zum Wagen.
    Hinter der Absperrung warteten schon die Presseleute auf sie. Lena holte tief Luft und sagte: »Wir wissen nicht mehr, als Sie gesehen haben. Es handelt sich um einen Mann, offensichtlich Norweger, wahrscheinlich im Laufe der Nacht verunglückt. Sobald wir weitere Informationen haben, werden wir eine Pressemeldung herausgeben.«
    Sie eilte an der Gruppe vorbei.
    Da hielt sie eine Hand am Arm fest. Lena drehte sich um.
    Der Mann war um die vierzig, hatte lange braune, gewellte Haare, ein ansprechend unrasiertes Gesicht, graue Augen, die ihren Blick suchten, und ein Lächeln, das einen kleinen Spalt zwischen den Schneidezähnen entblößte.
    »Ein Foto von Ihnen?« Er winkte mit seiner Kamera. Seine Augen blitzten schelmisch, und sie lächelte zurück.
    »Nein, danke«, sagte sie, öffnete die Wagentür und stieg ein.
    »Hier!«
    Sie nahm die Visitenkarte, die er ihr reichte, und zog die Tür hinter sich zu.
    Emil setzte sich ans Steuer. Die Journalisten entfernten sich langsam. Lena sah der Gestalt hinterher, die lässig davonschlenderte, den Schal fester um den Hals zog und eine Mütze aufsetzte. Steffen Gjerstad, Journalist las sie auf der Karte.
    »Den Kerl kenn ich ein bisschen«, sagte Emil. »Das heißt, meine Freundin kennt ihn. Sie sitzt an der Rezeption im Zeitungshaus von Dagens Næringsliv. Er arbeitet da.«
    »Knackiger Hintern«, sagte Lena.
    »Lena«, sagte Emil grinsend und schüttelte den Kopf. Dann startete er den Wagen und legte schwungvoll den Gang ein.
3
    Fartein Rise war ein großer, hagerer Typ mit langem Haar, das er ständig mit zwei Fingern nach hinten strich und sich hinter die Ohren zu klemmen versuchte. Die Frisur musste ein Relikt aus alten Zeiten sein, als Fartein Rise noch Motorradstreife fuhr, eine imposante BMW ritt und mit seinem Hippiestil Frauen betörte. Seine kurze Lederjacke passte vom Stil her immer noch dazu, sein Haar war mit den Jahren allerdings dünner und grauer geworden.
    »Es ist einfach unglaublich«, sagte Rise mit Bergenser Dialekt. »Einer der T-Bahn-Fahrer sieht einen Menschen auf den Schienen in den Tunnel laufen. Er schlägt Alarm. Die Zentrale in Tøyen stoppt den gesamten Verkehr und schickt Suchtrupps raus. Sie durchkämmen die Tunnel und finden keine Menschenseele – behaupten sie. Dann wird der Verkehr wieder frei gegeben. An der Haltestelle Grønland steht die Grorudbahn. Die schafft gerade mal zweihundert Meter. Und rate, was dann passiert? Diese Lady steht hinter einer der Säulen da unten und wirft sich einfach vor den Zug.«
    Gunnarstrandas Kugelschreiber gab den Geist auf. Er hob den Blick und sah Rise an. Es schien, als warte Rise auf einen Kommentar. Gunnarstranda versuchte es noch einmal mit dem Kugelschreiber – ohne Erfolg. »Hast du einen Stift?«, fragte er.
    Rise fischte einen silbernen Kugelschreiber aus der Brusttasche seiner Motorradjacke.
    »Die Frau wurde vollkommen zerfetzt. Hätte alles in eine IKEA-Tragetasche gepasst«, sagte Rise. »Wenn’s nicht so eine Sauerei gewesen wäre. Zwanzig Minuten Hochdruckwasserstrahler sind bei dieser Kälte für alle die Hölle.«
    Gunnarstranda interessierte sich nicht für Rises Auftrag in der T-Bahn. Aber sein Gerede brachte ihn aus dem Konzept. Er hatte die Lottoscheine erst zur Hälfte ausgefüllt. In welcher Spalte war er grade gewesen?
    Emil Yttergjerde kam zur Tür herein und setzte sich neben Gunnarstranda.
    »Was für ein Morgen«, sagte Rise.
    Gunnarstranda gab auf, legte den Haufen Lottoscheine zurSeite und gab den Kugelschreiber zurück. »Wovon redest du, Rise?«
    »Eine Frau hat sich vor einen T-Bahnzug geworfen«, sagte Fartein Rise. »Das ist natürlich tragisch, und Selbstmörder sind ja ganz schön clever. Aber wie kann das sein? Die Leute von der T-Bahn behaupten, sie hätten die Tunnel durchsucht, aber niemanden gefunden. Sogar ich als normaler Fahrgast sehe doch, dass es da unten viele Verstecke gibt. Nischen in der Tunnelwand, mit
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