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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau
Autoren: Oliver Susami
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sie hatte die Angst nicht vertrieben. Er musste sich, so dachte Lukas, einen Job suchen ... und dann eine zuverlässige Frau, die Kinder wollte. Sonst würde er mit Sicherheit arm und vereinsamt sterben … in einer kakerlakenverseuchten, zwanzig Quadratmeter großen Einzimmerwohnung. Nach Wochen würden sie ihn finden, halb verwest und von Ratten angeknabbert. In der Mikrowelle ein vergammeltes Fertiggericht und im DVD-Player – oder was auch immer nach dem DVD-Player kam – ein verdammter Pornofilm.
    „Puh, was 'n Scheiß”, sagte Lukas zu sich selbst, brachte seine achtzig Kilo in die Vertikale und ging erst mal duschen. Er duschte zwei Minuten warm, dann eine Minute kalt. Er putzte sich die Zähne und pinkelte, zog sich etwas an und kochte Kaffee. Gerade ploppte das Weißbrot aus dem Toaster, da klopfte es an der Tür. Einen Moment dachte Lukas daran, sich tot zu stellen ... ganz leise die warmen Toastbrotscheiben mit Butter zu beschmieren. Aber es klopfte immer weiter und so ging er hin. Es war sein Nachbar, der mit der Musik. Der mit der kaputten Stereoanlage.
    „Ey Lukas, das kannst du nicht machen. Das kannst du echt nicht bringen ... also deine Vorstellung vorhin. Da könnte ich dich anzeigen für.”
    Am liebsten hätte Lukas die Tür zugeknallt und sich seinem höchstwahrscheinlich immerhin noch lauwarmen Toast gewidmet. Aber er antwortete. Er würde vernünftig sein.
    „Schon klar, ich habe 'n bisschen überreagiert. Ich kauf dir 'nen neuen Verstärker. Was kostet so ein Ding?”
    Der Typ überlegte. Vielleicht hatte er auch einfach nur den Faden verloren. Aus seiner Wohnung roch es eigentlich immer nach Gras.
    „So 400 Euro.”
    Lukas stöhnte und zog die Augenbrauen hoch. Wieder hätte er am liebsten die Tür zugeworfen. Vielleicht war ja noch ein Rest Wärme in dem Toastbrot.
    „Nie im Leben kostet so ein Ding 400 Euro. Ich schau mir das mal an.”
    Lukas lief auf direktem Wege in die fremde Wohnung, lief zu dem kaputten Verstärker und drehte das Ding um. Ein älteres Gerät von Technics, ganz aus Plastik. Sah nicht besonders teuer aus. Er suchte sich Zettel und Stift, notierte sich die Typenbezeichnung und ging wieder nach drüben. Der Kiffer lief ihm hinterher.
    „Ich schau mal, was so was kostet. Dann kriegst du das Geld oder ich kauf dir 'nen neuen Verstärker. Tut mir leid wegen vorhin ... hatte einen netten Traum und deine Musik hat mich aufgeweckt.”
    Lukas warf die Tür zu, aß seinen kalten Toast, trank seinen lauwarmen Kaffee und wusste nicht, wie er sich fühlen sollte. War heute einer der Tage, an denen er über sein Leben grübelte? Einer der Tage, an denen er sich in Selbstmitleid suhlte? So schlimm war es doch überhaupt nicht. Lukas hatte einen Job, der ihn über Wasser hielt. Er hatte so eine Art Freundin, mit der er lachen konnte, die ihm nicht zu sehr auf die Nerven ging und die – das war seiner Erfahrung nach alles andere als selbstverständlich – Spaß an Sex hatte. Außerdem hatte er ein paar Bekannte, mit denen er was trinken gehen konnte und – das war wichtig! – seine Familie ging ihm in letzter Zeit nicht allzu sehr auf die Nerven. Die Anrufe Marke „Du musst jetzt wirklich dein Leben in Ordnung bringen” waren weniger geworden. Vielleicht gaben seine Eltern ja langsam auf.
    Lukas setzte sich an seinen alten Laptop, klickte irgendwelche Werbung (Schützen Sie sich gegen die neusten Internet-Viren!) weg, die neuerdings aufploppte und suchte nach dem Verstärker, den er gerade zerstört hatte. Neu gab es ihn nicht mehr, nur gebraucht. Bei ebay waren die Dinger für um die 60 Euro drin, bei Amazon einer für 80.
    Lukas suchte und fand seine Brieftasche und nahm 80 Euro raus. Er hatte gerade beschlossen, dem Kiffer nebenan Geld zu geben. Wenn er Glück hatte, dann würde er die Kohle anstatt in einen neuen Verstärker in Dope investieren und dann war vielleicht mal Ruhe. Lukas ging rüber und bezahlte seine Schulden. Der Kleine machte keine Probleme, von 400 Euro war keine Rede mehr. Er hatte es eben versucht.
    Okay, das war erledigt. Wie konnte nun der Tag aussehen? Manfred schlug vor, Stellenanzeigen anzuschauen und Bewerbungen zu schreiben. Plötzlich tauchte Hank auf, kratzte sich am Arsch und sagte: „Hör doch mal 'n bisschen Musik, mein Freund“.
    Lukas entschied sich für den Kompromiss. Er legte „Raw Power” von Iggy & The Stooges in den Player und schaute sich zu der Musik einige Stellenanzeigen im Internet an. Nichts wirklich Prickelndes.
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