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Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)

Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)

Titel: Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)
Autoren: J.M. Coetzee
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der mit
Trabajos
gekennzeichnet ist, und flüstert mit ihr. Die Frau zieht eine Schublade auf, sucht darin, schüttelt den Kopf.
    »Es gibt ein kleines Problem«, sagt die junge Frau. »Offenbar haben wir den Schlüssel zu Ihrem Zimmer nicht. Die Gebäudeaufsicht muss ihn haben. Der Name der Beamtin ist Señora Weiss. Gehen Sie zum Haus C . Ich werde Ihnen eine Skizze machen. Wenn Sie Señora Weiss finden, bitten Sie sie, Ihnen den Schlüssel für C - 55 zu geben. Sagen Sie ihr, Ana vom Hauptbüro schickt Sie.«
    »Wäre es nicht einfacher, uns ein anderes Zimmer zu geben?«
    »Leider ist C - 55 das einzige freie Zimmer.«
    »Und etwas zu essen?«
    »Zu essen?«
    »Ja. Können wir irgendwo etwas zu essen bekommen?«
    »Wenden Sie sich auch in dieser Angelegenheit an Señora Weiss. Sie kann Ihnen bestimmt helfen.«
    »Danke. Eine letzte Frage: Gibt es hier Organisationen, die darauf spezialisiert sind, Menschen zusammenzuführen?«
    »Menschen zusammenführen?«
    »Ja. Bestimmt suchen doch viele nach Angehörigen. Gibt es Organisationen, die bei der Zusammenführung von Familien helfen – von Familien, Freunden, Paaren?«
    »Nein, von einer solchen Organisation habe ich nie gehört.«
    Weil er müde und orientierungslos ist, aber auch weil die Skizze, die die junge Frau für ihn gemacht hat, nicht eindeutig ist und weil es keine Hinweisschilder gibt, braucht er lange, bis er Haus C und das Büro von Señora Weiss findet. Die Tür ist zu. Er klopft. Keine Reaktion.
    Er hält eine Frau an, die vorübergeht, eine sehr kleine Frau mit einem Spitzmausgesicht, die die schokoladenfarbene Uniform des Zentrums trägt. »Ich suche Señora Weiss«, sagt er.
    »Sie ist weg«, sagt die junge Frau, und als er nicht versteht: »Weg für heute. Kommen Sie morgen früh wieder.«
    »Dann können Sie uns vielleicht helfen. Wir suchen den Schlüssel zum Zimmer C - 55 .«
    Die junge Frau schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, für Schlüssel bin ich nicht zuständig.«
    Sie gehen zurück zum
Centro de Reubicación
. Die Tür ist verschlossen. Er pocht ans Glas. Kein Lebenszeichen drinnen. Er pocht erneut.
    »Ich habe Durst«, quengelt der Junge.
    »Halt noch ein wenig aus«, sagt er. »Ich suche einen Wasserhahn.«
    Die junge Frau, Ana, kommt um die Seite des Gebäudes. »Haben Sie geklopft?«, fragt sie. Wieder ist er beeindruckt: von ihrer Jugend, von der Gesundheit und Frische, die sie ausstrahlt.
    »Señora Weiss ist offenbar nach Hause gegangen«, sagt er. »Können Sie nicht irgendetwas tun? Haben Sie keinen – wie heißt das? –
llave universal
, um unser Zimmer aufzuschließen?«
    »
Llave maestra
. So etwas wie einen
llave universal
gibt es nicht. Wenn wir einen
llave universal
hätten, wären alle unsere Probleme gelöst. Nein, Señora Weiss ist die Einzige, die einen
llave maestra
für Haus C hat. Haben Sie vielleicht einen Freund, der Sie für die Nacht aufnehmen kann? Dann können Sie morgen früh wiederkommen und mit Señora Weiss sprechen.«
    »Einen Freund, der uns aufnehmen kann? Wir sind vor sechs Wochen in diesem Land angekommen, haben seitdem in einem Zelt in einem Lager draußen in der Wüste gehaust. Wie können Sie erwarten, dass wir hier Freunde haben, die uns aufnehmen werden?«
    Ana runzelt die Stirn. »Gehen Sie zum Haupttor«, befiehlt sie. »Warten Sie vor dem Tor auf mich. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Sie gehen durchs Tor, überqueren die Straße und setzen sich in den Schatten eines Baumes. Der Junge lehnt den Kopf an seine Schulter. »Ich habe Durst«, klagt er. »Wann findest du einen Wasserhahn?«
    »Pst«, sagt er. »Hör den Vögeln zu.«
    Sie lauschen dem fremden Vogelgesang, spüren den fremden Wind auf der Haut.
    Ana taucht auf. Er steht auf und winkt. Auch der Junge erhebt sich, die Arme steif herabhängend, die Daumen in den Fäusten vergraben.
    »Ich habe hier etwas Wasser für Ihren Sohn«, sagt sie. »Hier, David, trink.«
    Das Kind trinkt, gibt ihr die Tasse zurück. Sie steckt sie in ihre Tasche. »War das gut?«, fragt sie.
    »Ja.«
    »Gut. Folgt mir. Es ist ein ziemlicher Fußmarsch, aber ihr könnt es ja als sportliche Betätigung ansehen.«
    Rasch schreitet sie auf dem Pfad durch die Parklandschaft. Eine attraktive junge Frau, ganz gewiss, obwohl die Kleidung, die sie trägt, ihr kaum steht: ein dunkler, formloser Rock, eine weiße Bluse, die den Hals eng umschließt, flache Schuhe.
    Allein könnte er vielleicht mit ihr Schritt halten, aber mit dem Kind in den Armen schafft er es
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