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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn
Autoren: Stross Charles
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der Luftschleuse unter einem halb aufgeblähten Gasballon vertäut. »Was ist denn das?«, frage ich.
    »Am besten, wir bringen Sie so schnell wie möglich aus der Stadt heraus. Steigen Sie ein.« Ichiban deutet auf die Barkasse. »Das Ding ist mit Antrieben und Treibstoff ausgerüstet. Machen Sie sich’s gemütlich. Es wird eine Weile Ihr Zuhause sein.«
    Skeptisch mustere ich das Ding. Unterhalb eines zylindrischen Energie- und Treibstoffadapters befindet sich ein mit Verstrebungen verstärkter, mit Gurten gesicherter, flauschig ausgepolsterter Kokon, der recht behaglich wirkt. Vermutlich bin ich dreimal so schwer wie das ganze Ding. »Und Sie erwarten, dass ich das für die ganze Strecke zum Merkur benutze?«
    »Ja.« Er lächelt milde. »Ihre Aufzugkabine wird in etwas mehr als einer Stunde bereit sein.«
    »Meine …« Ich habe ein Bein schon halb in den Kokon gesteckt, halte jedoch mitten in der Bewegung inne. »Sie haben für mich eine Fahrt mit dem Raumaufzug gebucht?« Ob ich will oder nicht, es kommt wie ein Jammern heraus.
    »Selbstverständlich.« Zur Abwechslung ist es jetzt Ichiban, der verblüfft wirkt. »Was haben Sie denn gedacht? Wie wollen Sie denn sonst noch heute in den Orbit gelangen?«

    Vorsichtig nehme ich Platz und lasse mein anderes Bein in den Kokon gleiten. Nach und nach begreife ich. Locker bleiben!, drängen mich meine Erinnerungen, und ich gebe klein bei. Mein Gas austauschendes System ist zu gut konstruiert, um aufzuwallen. Gehörte ich der Spezies meiner Einzig Wahren Liebe an, hätte ich jetzt bestimmt feuchte Hände und Herzrasen. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe: vielleicht einen gemütlichen Flug zu einer der Äquatorialstationen und danach einen Platz an Bord einer planmäßig startenden Raumfähre. Doch wir befinden uns nahe beim nördlichen Polarplateau, und das würde einen großen Umweg bedeuten. Ichibans Geldgeber haben sich Zeit auf einem orbitalen Windrad erkauft, das schon jetzt seinen tausend Kilometer langen Arm ausstreckt und in Position bringt, um in die Stratosphäre hinabzutauchen und mich wie eine im Wind treibende Blüte zu packen. Ich lege mich hin und lasse mich vom Kokon einhüllen. Das muss sie Tausende kosten. Mehr als eine Kabine in der Aristo-Klasse. »Und wie kann ich mich verständlich machen, wenn ich …«
    »Ihr Kokon wird Ihnen alles sagen, was Sie wissen müssen«, erwidert Ichiban und wendet sich ab. Die glitzernden Tattoos auf seinen Schultern und Armen zwinkern mir zu, als er sich entfernt.
    »Hallo!«, quietscht der Kokon atemlos vor Aufregung. »Ich bin Lindy! Vielen Dank, dass du dich für eine Reise mit meinen Eignern Astradyne Tours entschieden hast. Wie heißt du?«
    Quellcode bewahre mich, die klingt ja wirklich einsatzfreudig. Das fehlt mir gerade noch. »Ich heiße Freya. Bist du …«
    »Hallo, Freya! Ich bin das Raumschiff, das dir heute zu Diensten ist! Hast du’s bequem? Fühlst du dich angespannt? Ich weiß, wie man das behebt. Darf ich dir eine Massage anbieten? Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber ich habe bemerkt, dass du ein klassisches Design hast! Hast du irgendwelche Hohlräume? Oh! Eine Lunge zum Gasaustausch! Die packe ich wohl besser gut ein! Ich muss ein paar Sonden installieren, aber keine Bange, ich sorge schon dafür, dass du’s als angenehm empfinden wirst …«

    Lindy plappert pausenlos vor sich hin, während die Sonden sich vortasten, in meine Körperöffnungen eindringen und gleich darauf vorne und hinten, oben und unten bis zu meinen Intimzonen vorstoßen. Es ist nicht das Eindringen der Sonden, das mir zu schaffen macht – Lindy geht wirklich behutsam vor, die Sonden sind gut geschmiert, und ich empfinde die Penetration nach so langer Zeit ohne Intimkontakte tatsächlich als angenehm -, sondern Lindys Persönlichkeit. Es ist so, als würde man von einem Schlafsack belästigt, der ständig in Comic-Blasen spricht – wobei jedes »i« Herzchen statt Punkte trägt.
    »Oh, du hast ja wirklich einen Riesendarm! Führt der irgendwohin? Ist lange her, dass ich in so was drin war. Jetzt schließe ich nur noch deine Sichtgeräte an, und dann wirst du dich in mir richtig behaglich fühlen. Na, wie ist das?!«
    Ein kurzer Ruck, und ich kann wieder nach draußen blicken. Lindy hat meine Augen, Ohren und Output-Leitungen mit ihrem Sensorium verbunden. Jetzt sehe ich, dass ich, eingehüllt in Lindys weiße Röhre, auf der Tragfläche liege, während sie glitschigen Packschaum in all meine Innenräume
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