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Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel
Autoren: Patrick Dunne
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offenbar unbeeindruckt von dem Lärm einen Weg durch die Menge bahnte.
    Noch etwas fiel ihm auf: Sie erinnerte ihn an jemanden.
    »Jane…« Er stieß sie mit dem Ellenbogen an. Als Jane die Frau ebenfalls sah, erstarrte sie.
    Plötzlich brach eines der Sperrgitter, und die Menschen, die dagegen gepresst gewesen waren, fielen in einem Haufen sich krümmender Leiber in die abgesperrte Zone vor den Sitzplätzen. Die junge Frau ging auf die Lücke zu, kletterte über den Berg gestürzter Menschen und schritt die Stufen zum Ehrengastbereich hinauf.
    Lavelle nahm Janes Hand, seine Knöchel waren weiß vor Anspannung, »O Gott«, flüsterte er. Jane starrte ungläubig auf den Schirm.
    Der Lärm hörte abrupt auf.
    Die Delegierten rappelten sich langsam wieder hoch, eine größere Gruppe von ihnen, die sich ganz hinten versammelt hatte, stand auf und begann den Mittelgang entlang wieder nach vorn zu gehen, während sie untereinander über das eben Erlebte diskutierten.
    Jane und Lavelle hielten den Blick weiter auf die junge Frau gerichtet. Sie drehte sich um. Ihr Gesicht war im gleißenden Scheinwerferlicht nun deutlich erkennbar.
    »O nein! Nein! Nein!«, flehte Jane und streckte ihre Arme beschwörend in Richtung des Fernsehgeräts.
    Dempsey und Taaffe sahen Lavelle beunruhigt an. »Das ist ihre Schwester«, sagte er grimmig. »Das ist Hazel.«
    Hazel hatte ebenfalls die Arme erhoben, wie um Janes Geste zu erwidern. Sie drehte sich wieder um und blieb stocksteif stehen, während die Menge der Delegierten die Stufen herabkam und an ihr vorbeiströmte. Es war, als würden sie nicht bemerken, dass Hazel da war. Dann explodierte sie.

80
    Z wei Gestalten gingen Arm in Arm am Strand entlang. Das Meer hatte sich so weit aus der Dublin Bay zurückgezogen, dass es aussah, als könnte man Howth Head auf der gegenüberliegenden Seite mit einem Spaziergang über den Sand erreichen. Eine optische Täuschung, die durch den klaren Tag noch verstärkt wurde. Der wolkenlose Himmel verschwand förmlich im Gleißen der Sonne, und nur an den Rändern des Gesichtsfelds blieb ein Stich ins Blaue. Es war so warm, dass die Sonntagsausflügler auf dem Parkplatz mit Blick über die Bucht beim Zeitunglesen die Fenster öffneten. Manche hörten Radio, und die Nachrichten und Kurzmeldungen waren ein Widerhall der Schlagzeilen, die sie lasen.
    FÜNFUNDZWANZIG TOTE BEI VERHEERENDEM SELBSTMORD-ANSCHLAG. KONFERENZ ABGESAGT. DELEGIERTE FLIEGEN NACH HAUSE. ISRAEL MACHT PALÄSTINENSER VERANTWORTLICH. STRASSENKÄMPFE IN JERUSALEM. AUTOBOMBE DER HAMAS DEMOLIERT AMERIKANISCHE BOTSCHAFT. DREI ARABISCHE LÄNDER RUFEN ZUM HEILIGEN KRIEG GEGEN DEN WESTEN AUF.
    Altbekannt und doch irgendwie anders. Als würde etwas in Gang gesetzt werden, das sich nicht mehr kontrollieren ließ.
    Das Paar am Strand langte wieder bei den Felsen an, die zum Parkplatz hinaufführten.
    »In gewisser Weise ist es wie bei Scott«, sagte Jane. »Hazel hat versucht, mich zu beschützen. Dieser Anruf bei Cultwatch sollte mich warnen, dass ich in Gefahr bin.«
    »Aber er wirkte so unpersönlich. Als wäre sie ein Roboter, der aufsagt, was man ihm befohlen hat.«
    »Nein. Es gelang ihr sogar, eine sehr persönliche Note hineinzubringen, und zwar die Zeilen, die sie am Schluss anfügte. Niemand außer mir konnte sie kennen. Sie hatte sie auf die Karte geschrieben, als sie mir vor Jahren diesen Briefbeschwerer schenkte: ›Auch wenn ich nur der Staub des Universums bin, sind aus diesem Stoff doch die Sterne gemacht.‹ Ich glaube, das war ihr kleines persönliches Motto«, sagte Jane unter Tränen. »Und trotz des ganzen Mülls, den man ihr eingeredet hatte, hielt sie noch daran fest.«
    Lavelle umarmte sie.
    »Hey, ich lebe ja noch«, sagte Jane bitter.
    »Ich weiß, es ist schwer, im Augenblick irgendwas positiv zu sehen. Lass dir Zeit.«
    »Ja, du hast Recht. Ich lebe, und ich bin sehr undankbar. Wenn Taaffe nicht so gehandelt hätte, wie er es tat… Wenn du den Anruf nicht gemacht hättest…«
    »Was das betrifft, gibt es eine Sache, die mich immer noch zwickt«, sagte Lavelle.
    »Und was?«
    »Diese Filioque -Klausel, über die wir damals im Seminar gestritten haben. Da hätte bei Roberts etwas klingeln müssen. Aber ich glaube nicht, dass er überhaupt wusste, wovon ich rede.«
    »Hmm… er war jedenfalls äußerst beschlagen, was das Alte Testament angeht… die Tabus bezüglich Menstruationsblut, du hast sie in deinem Bericht auch erwähnt, weißt du noch?«
    »Wie kommst du jetzt
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