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Die Katze, die für Käse schwärmte

Die Katze, die für Käse schwärmte

Titel: Die Katze, die für Käse schwärmte
Autoren: Lilian Jackson Braun
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sie zur Kirche gegangen war, wie sie ihm auf einem Zettel auf der Küchentheke mitteilte.
    Koko beantwortete seine Begrüßung mit zweimaligem Schwanzzucken, und Yum Yum schnurrte, als er sie fragte: »Bist du noch mein kleiner Liebling?«
    Er zog sich einen Overall an und setzte sich dann mit einem Becher Kaffee und Käse und Cracker in die Bibliothek.
    »Will jemand Gruyere?« fragte er und erwartete, daß Koko maunzen würde. Als keine Reaktion kam, sagte er: »Dann bleibt mir mehr!… Wie wär’s mit etwas Doppelrahm-Brie?« Noch immer keine Reaktion. Qwilleran zählte ein paar der berühmtesten Käsesorten der Welt auf, einschließlich Feta aus Ziegenmilch, doch Koko – der während des Gourmet-Festivals zum Käsespezialisten geworden war – schwieg.
    Was hatte das zu bedeuten? Er tat nie – kaum – etwas ohne Grund. Ein abnormales Verhalten des Katers bedeutete immer einen Versuch, Informationen zu übermitteln. Jetzt waren alle Antworten bekannt; der Fall war abgeschlossen; und Qwilleran erkannte – rückblickend – die Bedeutung von Kokos Botschaften:
    Der Kater hatte gespürt, daß der Übeltäter einen Namen hatte, der ähnlich wie Gruyere klang, und Brie hatte Ähnlichkeit mit dem Namen des ahnungslosen, unfreiwilligen Komplizen. Für Katzenohren waren Gruyere, Brie, Greer und Aubrey nichts als Laute, wie LECKERBISSEN und BUCH; für Kokos Ohren hatten sie eine Bedeutung. Falls die Wissenschaftler im Süden unten jemals von dem übersinnlichen Kater erfuhren, würden sie nach Pickax fliegen, um Kokos Hirn zu untersuchen und seine Schnurrhaare zu zählen… Kommt überhaupt nicht in Frage, dachte Qwilleran.
    Dann fiel ihm noch eine Möglichkeit ein, und er schlug sich auf die Stirn. »Oh, nein!« sagte er laut. »Feta… Fetter… Kochbuch… Iris Cobb… Hackbraten!« Die Katzen hatten seine ehemalige Haushälterin sehr gern gehabt, und sie sehnten sich nach ihrem ganz besonderen Hackbraten, dessen Geheimnis…
    Qwillerans Gedanken wurden von einem Grollen unterbrochen, das tief aus Kokos Brust ertönte, woraufhin der Kater auf das Bücherregal sprang.
    »Okay, lesen wir. Brekekekex ko-ax ko-ax !« Koko setzte sich auf seine Sessellehne und Yum Yum auf seinen Schoß, und dann las er ihnen weiter aus Die Frösche vor.
    Der Dialog weckte Erinnerungen. In der College-Produktion hatte er den Dionysos gespielt. Damals war seine Mutter noch am Leben gewesen, und sie hatte drei Abende hintereinander im Zuschauerraum gesessen. Er erinnerte sich noch immer an seinen Text: Wer weiß, ob nicht der Tod das Leben ist und das Leben der Tod, und der Atem Hammelsuppe, und Schlaf eine Schafshaut? Auch an sein Kostüm erinnerte er sich noch: eine schwere Robe, wie sich das für einen Gott vom Olymp ziemte, doch sie war im Scheinwerferlicht sehr heiß gewesen, und er hatte geglaubt, in seinem eigenen Schweiß zu ertrinken. Das war schon lange her. Jetzt lebte er in einer Scheune und las einer Zuhörerschaft von zwei Katzen ›Die Frösche‹ vor.
    Als er zu seiner Lieblingsstelle kam, stellte er fest, daß die Übersetzung ganz anders war als die von damals. Er las sie ernsthaft und mit vielsagenden Pausen vor: » Wer weiß, ob Leben nicht Sterben ist… und atmen essen… und schlafen eine wollene Decke!«
    »Yau!« machte Koko genauso ernsthaft.
    Qwilleran verspürte ein Kribbeln auf seiner Oberlippe – er glaubte auf einmal, die Antwort auf eine rätselhafte Frage zu kennen: Warum hatten die Bienen Victor Greer angegriffen? Es hatte natürlich an der Wolldecke gelegen! Die schwere deutsche Wolldecke des alten Mannes! War Aubrey klar gewesen, was er da tat? Wußte er, daß die Decke aus Wolle war? Hatte er in jener chaotischen Situation vergessen, daß die Bienen Wolle nicht mochten?… Oder hatte Aubrey die Wolldecke absichtlich in die Hütte gebracht? Später, als er die Leiche fand, weinte er, wie er sagte, weil er Lenny nicht erschießen brauchte.
    »Was sagst du dazu, Koko? Hast du eine Meinung dazu?«
    Aufrecht und majestätisch saß der Kater auf der Sessellehne. Er schwankte leicht. Seine blauen Augen waren groß und unergründlich.
    »Okay, machen wir ein Spiel. Wenn Aubrey Victor Greers Tod absichtlich herbeigeführt hat, dann zwinkere!«
    Qwilleran starrte Koko in die Augen. Koko starrte zurück. Aug’ an Aug’. Wie in Trance verharrten der Mann und der Kater in ihrer Pattstellung. Qwilleran vergaß zu atmen. Er dachte nicht, er fühlte nicht, er driftete in einen hypnotischen Zustand ab; er mußte
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