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Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide

Titel: Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Autoren: Rick Riordan
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Kopf.«
    Dad gab sich Mühe zu lächeln. »Süße, das wird lustig. Der Leiter der Ägyptischen Sammlung hat uns persönlich eingeladen –«
    »Ach, wer hätte das gedacht.« Sadie blies eine rot gefärbte Haarsträhne aus ihrem Gesicht. »Heiligabend, und wir schauen uns irgendwelche schimmligen alten Überbleibsel aus Ägypten an. Denkst du jemals an was anderes?«
    Dad war nicht sauer. Er ist nie sauer auf Sadie. Er starrte einfach aus dem Fenster in den dunkler werdenden Himmel und den Regen.
    »Ja«, erwiderte er ruhig. »Manchmal schon.«
    Ich wusste, dass Dad immer an Mom dachte, wenn er so still wurde und ins Nichts starrte. Die letzten paar Monate war das oft der Fall gewesen. Wenn ich in unser Hotelzimmer kam, saß er mit seinem Handy da, von dessen Bildschirm ihm Mom entgegenlächelte – ihr Haar war unter ein Kopftuch geschoben, ihre Augen wirkten vor dem Wüstenhintergrund verblüffend blau.
    Oder wir waren an irgendeiner Ausgrabungsstätte. Dad starrte auf den Horizont und ich wusste, dass er sich daran erinnerte, wie er sie kennengelernt hatte – zwei junge Wissenschaftler im Tal der Könige, auf der Suche nach einer vergessenen Grabkammer. Dad war Ägyptologe, Mom war Anthropologin und erforschte richtig alte DNS. Die Geschichte hatte er mir tausendmal erzählt.
    Unser Taxi schlängelte sich am Ufer der Themse entlang. Kurz hinter der Waterloo Bridge wurde Dad nervös.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er, als wir am Victoria Embankment entlangfuhren. »Halten Sie hier einen Augenblick an.«
    Der Fahrer hielt am Straßenrand.
    »Was ist denn, Dad?«, fragte ich.
    Er kletterte aus dem Taxi, als hätte er mich nicht gehört. Als Sadie und ich ebenfalls ausstiegen und uns neben ihn stellten, starrte er an Cleopatra’s Needle hoch.
    Falls ihr sie noch nie gesehen habt, die sogenannte Nadel ist ein Obelisk, keine Nadel, und sie hat überhaupt nichts mit Kleopatra zu tun. Als die Briten sie nach London brachten, fanden sie den Namen vermutlich einfach gut. Sie ist ungefähr zwanzig Meter hoch, was im Alten Ägypten vielleicht eindrucksvoll war, an der Themse zwischen all den hohen Gebäuden allerdings eher mickrig und kläglich aussieht. Man kann daran vorbeifahren und merkt überhaupt nicht, dass dort etwas steht, das tausend Jahre älter ist als die Stadt London.
    »Gott.« Sadie drehte frustriert eine Runde um die Säule. »Müssen wir an jedem Denkmal stehen bleiben?«
    Dad starrte zur Spitze des Obelisken. »Ich musste mir die Nadel noch einmal ansehen«, murmelte er. »Hier ist es passiert …«
    Vom Fluss her blies ein eisiger Wind. Ich wollte zurück ins Taxi, aber allmählich machte ich mir echt Sorgen. So abwesend hatte ich ihn noch nie erlebt.
    »Was hast du, Dad?«, fragte ich. »Was ist hier passiert?«
    »Hier habe ich sie zum letzten Mal gesehen.«
    Sadie blieb stehen. Unsicher warf sie mir einen mürrischen Blick zu, dann sah sie wieder zu Dad. »Moment mal. Du redest von Mom?«
    Dad strich Sadie das Haar hinters Ohr und sie war so überrascht, dass sie ihn nicht mal wegstieß.
    Ich hatte das Gefühl, dass mich der Regen in einen Eisblock verwandelt hatte. Moms Tod war immer ein Tabuthema gewesen. Ich wusste, dass sie bei einem Unfall in London gestorben war, und ich wusste, dass meine Großeltern Dad die Schuld dafür gaben. Aber kein Mensch hatte uns je die Einzelheiten erzählt. Ich hatte es aufgegeben, meinen Vater danach zu fragen, zum einen, weil es ihn so traurig machte, zum anderen, weil er sich strikt weigerte, irgendetwas preiszugeben. »Wenn du älter bist« war alles, was er sagte, und es war die frustrierendste Antwort überhaupt.
    »Heißt das, dass sie hier gestorben ist?«, fragte ich. »An Cleopatra’s Needle? Was ist passiert?«
    Er senkte den Kopf.
    »Dad!«, protestierte Sadie. »Ich geh hier jeden Tag vorbei und jetzt erfahre ich, dass ich davon – die ganze Zeit – nichts gewusst habe?«
    »Hast du deine Katze noch?«, fragte Dad, eine reichlich dämliche Frage, wie ich fand.
    »Klar hab ich die Katze noch!«, erwiderte sie. »Was hat das denn damit zu tun?«
    »Und dein Amulett?«
    Sadie griff sich an den Hals. Als wir klein waren, kurz bevor Sadie zu unseren Großeltern kam, hatte Dad uns beiden ägyptische Amulette geschenkt. Meines war ein Horusauge, ein beliebtes Schutzsymbol im Alten Ägypten.

    Wie dem auch sei, ich trug mein Amulett jedenfalls immer unter dem Hemd, aber ich hatte angenommen, Sadie hätte ihres längst verloren oder weggeworfen.
    Zu
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