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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin
Autoren: Douglas Clegg
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Sterblichen verborgen bleibt«, erklärte ich. »Vieles, das nicht zu sehen ist oder doch nicht bemerkt wird. Ich habe jahrhundertelang inmitten eurer Städte gelebt, so wie es auch andere aus diesem Versteck getan haben. Wir kehren in unruhigen Zeiten hierher zurück, oder in Zeiten der Vorzeichen für die herabsinkende Dunkelheit. Dies ist für uns ein geheiligter Ort und wird dies auch bleiben.«
    Bei ihrer Ankunft hatte Natalia mehrere Kisten und Taschen
mitgebracht, ebenso wie Vorräte, die von ihren Angestellten herbeigeschafft worden waren. Sie lagen nun verstreut – am Eingang zu Alkemara. Natalia bat mich, eine bestimmte Tasche zu finden, die sich unter ihren Habseligkeiten befunden hatte, als sie und ihre Helfer das Reich von Alkemara betreten hatten. Ich rief nach Daniel, damit er sie suche und für uns hole. Er kehrte mit mehreren Kisten zurück, gemeinsam mit anderen Vampyren, die die Sachen zu den Stufen des Tempels brachten.
    Natalia durchforstete sie, hob die braune Tasche auf und öffnete ihren Verschluss. »Ich möchte dir etwas zeigen, das viele Jahre lang immer wieder weitergegeben wurde«, erklärte sie. Aus dem Inneren der Tasche zog sie einen kleinen Beutel. Daraus holte sie eine getrocknete purpurrote Blume hervor und legte sie auf die Stufen zwischen uns.
    »Die Friedhofsblume«, sagte ich. Ich deutete über die zerfallenen Mauern hinweg auf einen Ort, der zahlreiche Meilen von der Stelle entfernt lag, an der wir saßen. »Dort, zwischen den Knochen, wächst sie noch immer. Sie stammt aus der uralten, verfallenen Stadt Myrryd, die von Sterblichen noch nicht gefunden wurde. Merod züchtete die Blume hier erneut. Er hatte sie gerettet, bevor seine Geburtsstadt zerstört wurde. Einst stahl sie ein Alchimist und brachte sie zu fernen Ufern. Sie war nicht dazu bestimmt, von Sterblichen verwendet zu werden.«
    Natalia griff in den Beutel und zog etwas hervor, das wie ein Wolfszahn aussah. Ein winziges Loch war hindurchgebohrt worden, so als sollte er als Anhänger getragen werden. Sie hielt einen kleinen, runden Talisman in der Hand. Auf seiner Rückseite waren fremdartige Symbole zu finden, die so wirkten, als
stammten sie von irgendeinem Gebet aus alter Zeit. Auf der Vorderseite befand sich ein zerbrochener Spiegel.
    Ich musterte dies alles und drehte es zwischen meinen Fingern hin und her. Dabei erinnerte ich mich an die Schlachten, die ich einst gesehen hatte, dachte auch an die Chymerfrauen, die ihre Gestalt verändern konnten und mit den Toten sprachen, die Geister anriefen, ihnen zu helfen, während sie als Wölfe durch die Nacht liefen.
    »Sieh dir dies an.« Ich hielt den Wolfszahn in die Höhe. »Wölfe kamen damals sehr häufig vor. Die Toten und Sterbenden bedeckten die Schlachtfelder der Welt. Wölfe und Wildkatzen entwickelten eine Vorliebe für Menschenfleisch, da dieses am Waldrand verrottete. Sie waren eine Plage. Dieser Zahn stammt von jemandem, der seine Gestalt verändern und sich durch Zauberei in einen Wolf verwandeln kann. Da gab es Frauen, die einst Nonnen gewesen waren – Klausnerinnen – die... sich verwandelt hatten, als Plagen das Land überzogen. Wenn der Schleier zerreißt...«
    »Diese >Friedhofsblume< – handelt es sich dabei nur um ein Andenken, oder verfügt sie über bestimmte Kräfte?«
    »Du bist eine Gelehrte und eine Wissenschaftlerin«, sagte ich. »Du hast sie geprüft?«
    Sie nickte. »Es scheint irgendein Atavismus des Mohns zu sein, aber mit den Eigenschaften einer Fleisch fressenden Pflanze. Vielleicht einer Venusfliegenfalle.«
    »Tatsächlich sind sie ein wenig giftig. Wenn sie im Boden verwurzelt sind, schlingen sie sich um den Finger und stechen in die Haut, um etwas Blut zu saugen. Für einen Vampyr ist sein Nektar eine mächtige Droge, die uns das zweite Gesicht verleiht oder uns hinter den Schleier selbst zieht.« Ich hob
die getrocknete purpurfarbene Blüte auf und drückte sie gegen meine Lippen, um ihren leicht bitteren Rosenduft einzuatmen. »In dieser hier ist kein Nektar mehr übrig. Sie wurde von den Franzosen >Sang-Fleur< genannt: die >Blutblume<.«
    »Und sie schenkte den Unsterblichen Visionen?«
    »Was uns nicht tötet, öffnet uns die Augen.« Ich hob den kleinen, runden Spiegel auf, sah seine spinnwebartigen Sprünge. Er war nur ein wenig größer als mein Daumen. »Jemand von edler Herkunft aus einem gewissen Königreich würde dies um den Hals tragen, als Amulett. Es ist die Scheibe. In Taranis-Hir schützte sie vor dem
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