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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin
Autoren: Douglas Clegg
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Mittelamerika entdeckt hatte. Diese Mitteilungen könnten die gesamte bekannte Geschichte umschreiben.«
    »Geschichte ist eine Halbwahrheit und wurde von den Siegern geschrieben«, entgegnete ich. Ich erhob mich und deutete auf andere Schriftrollen. »Dies hier sind Erzählungen von anderen Wesen, die sich die Erde mit den Sterblichen teilten, wobei die Originale dieser Schriftrollen in jenen Flammen zerstört wurden, die Alexandrias Bibliothek verschlangen. Einst gab es zahlreiche Spezies derjenigen, die du Menschen nennen würdest, und dies sind nicht nur diejenigen, die in jenen vergangenen Jahrtausenden die Erde besetzten. Vor meiner Geburt gab es Techniken, die es durchaus mit denjenigen aufnehmen könnten, die in diesem Jahrhundert existieren. Geschichtsbücher werden verbrannt, versteckt und geändert. Eroberer verwandeln die Götter der Besiegten in Dämonen. Denkst du, dass die Legenden, die du studiert hast, aus Lügen entstanden sind? Denn du siehst mich jetzt hier, so wie du mich vor deinem Fenster gesehen hast, als du siebzehn Jahre alt warst.« Ich gestattete es meinen Flügeln, sich an den Schulterblättern zu entfalten. »Auch ich bin eine Legende, so wie sämtliche Stämme von Alkemara Legende sind, wenngleich du uns nun siehst und weißt, dass es uns wahrhaftig gibt.«
    Nachdem ich kurz vor Tagesanbmch von ihr getrunken hatte, gab ich ihr die Schriften aus meinen ersten Jahren auf der Erde. Diese Erzählung endet mit meiner Gefangennahme und der Gefangennahme meines Gefährten Ewen durch die flüsternden Schatten der Myrrydanai und unserer Gefangenschaft in einem uralten römischen Brunnen. Wir waren durch die Macht der Myrrydanai dort hineingeworfen worden. Dann
hatte man ihn mit Blei und Silber verschlossen, um uns davon abzuhalten, dem zu entkommen, was für viele Jahre unsere Grabstätte sein sollte.
    Nachdem Natalia den Tag damit verbracht hatte, das zu lesen, was ich über meine Jugend und meine erste Reise nach Alkemara aufgeschrieben hatte, bat sie mich in der Nacht darauf, von ihr zu trinken. Es schien mir so, als wäre dies Angebot ihre eigene Art, mir für das neuerworbene Wissen zu danken.
     
    Während dieser gemeinsamen Nächte trug ich sie auf meinen Armen in die gewölbte Höhle, die die großartige gefallene Stadt enthielt.
    Immer höher flogen wir, bis in einen Himmel voller glitzernder Sterne hinauf, jenseits des engen Eingangs zu dem Berg, der Alkemara wie eine Schale umhüllt. Natalia hielt sich an mir fest, da die Angst vor einem Absturz – und vor dem Tod – sie überkommen hatte.
    In der achten Nacht, die wir gemeinsam verbrachten, ließ ich sie die Erfahrung des Stromes machen, jener Strömung, welche zwischen den Unsterblichen der Welt fließt.
    Ich sagte zu ihr, sie sei die erste lebende Sterbliche, die spürte, wie er um sie herum strömte, und die auch die Verbindungen zwischen meiner Spezies und der ihren zu spüren vermochte.
    Sie flüsterte, dass ich ihr das größte Geschenk ihres ganzen Lebens gemacht hätte.
    »Ich werde dir noch mehr als das geben«, versprach ich. »Denn es gibt ein Geheimnis Alkemaras, das für dich bestimmt ist. Es wurde dort seit Jahrhunderten gehütet, bis zur Rückkehr eines Mitglieds deiner Blutlinie.«

    Wir setzten uns auf die Stufen am Eingang zum Tempel der Lemesharra. Natalia stockte vor Staunen der Atem, als sie die Monumente und das Stadtbild erblickte, die Mauern, die Häuser und Kammern, die in die Säulen eingeritzten Zeichen. Doch am meisten schockierte sie die Schönheit unseres Stammes. Viele seiner Angehörigen flogen auf der Jagd ein Stück über uns, in die Nacht hinaus. »Ich wusste, dass ihr existiert«, sagte sie. »Doch ich habe noch nicht daran geglaubt. Aber jetzt sehe ich, dass es da ein ganzes Volk gibt. Dein Stamm zählt keineswegs bloß wenige Mitglieder, sondern er bildet geradezu eine ganze Bevölkerung.«
    »Es gibt vielleicht eine Million von uns oder mehr, denn selbst ich kenne nicht alle meiner Art. Einige von uns sind... ganz anders als die anderen. Einige kommen aus dem Westen, ihre Geschichte folgt einem Pfad, der meinem Stamm viele Tausende von Jahren unbekannt war. In manchen Jahrhunderten gibt es weniger von uns, aber wir befinden uns auf dem Höhepunkt unserer Macht, wenn der Schleier dünn ist.«
    »Ist er jetzt dünn?«, fragte sie.
    »Ja. Ich kann spüren, wie sich sein Stoff dehnt. Da gibt es Schatten, die danach trachten, zur Erde zurückzukehren. Und es gibt noch vieles, das der Welt der
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