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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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sich deutlich unter dem dünnen Stoff des Sommerrocks abzeichneten.
    Kristina rammte Finckh den Ellbogen in die Rippen. »Gleich fallen dir die Augen raus«, prognostizierte sie und erntete einen pikierten Blick ihres Kollegen.
    Sampo lächelte schmal und schob die Sonnenbrille zurecht. »Wollen wir«, forderte er die beiden auf.
    Vorsichtig, als würde sie vermintes Feindgebiet betreten, umrundete Kristina die Johannisbeersträucher, damit sie endlich um die Ecke des Schuppens blicken konnte. In dieser Sekunde kroch die Sonne gleißend über die Baumwipfel, verdrängte das Stahlblau am Himmel und schmolz die Schatten der Bäume hinweg, die bislang wie ein verschleiernder Umhang über dem Opfer gelegen hatten.
    Werner Finckh hinter ihr würgte, noch ehe die Obszönität des Anblicks in Kristinas Gehirn ankam.
    »Ist die Axt die Tatwaffe?«
    »Vermutlich«, antwortete Sampo und blickte durch seine verdunkelten Brillengläser auf sie herab. »Aber mach dir keine Hoffnung, die Fingerabdrücke sind komplett verwischt, wahrscheinlich unbrauchbar.«
    Der Mörder schlug also das Beil zurück in den Hackstock, nachdem er dem Mann nicht nur den Schädel gespalten hatte? Würde jemand, der im Affekt handelte, so etwas tun?
    Ihrer Erfahrung nach warf man die Tatwaffe angewidert von sich, nachdem die Erkenntnis über das begangene Verbrechen ins Bewusstsein gesickert war. Danach suchte man unter Schock stehend das Weite oder verständigte die Polizei und stellte sich als reuiger Sünder.
    Du bist zu schnell, schimpfte sie sich im Stillen. Das Verlangen nach einer Zigarette überfiel sie hinterrücks und unerwartet. Nach drei Jahren ohne Nikotin kehrte der Wunsch zurück, eine zu rauchen.
    Während all der Jahre bei der Mordkommission hatte Kristina kein Opfer vergessen. Bisher war es ihr jedoch stets gelungen, die Kontrolle über das Entsetzen zu behalten. Sie konnte die Szenen menschlicher Abgründe aus ihrem Kopf verbannen, wenn sie das Büro verließ. Doch jetzt war sie unsicher, ob ihr das auch diesmal gelingen würde.
    Nachdem die Kriminaltechniker ihre Arbeit erledigt hatten und der Leichnam abtransportiert worden war, wollte Kristina den Tatort ein weiteres Mal aufsuchen. Die erste Besichtigung hatte nur fünf Minuten gedauert. Sie versuchte, es auf die herumwuselnden Kollegen und weniger auf den Anblick der Leiche zu schieben.
    Drei Wochen, lautete die Schätzung von Dr. Wuppermann. Erst der Regen, dann die Hitze. Nicht nur die üblichen Kerbtiere hatten sich ausgiebig ins faulige Fleisch gewühlt. Der Wald selbst hatte mitgegessen. Ein Fuchs vielleicht? Ein Marder? Der eine oder andere Vogel? Ratten? Gab es überhaupt Ratten im Wald, oder waren die aus dem Haus gekommen?
    Sie mussten das Haus durchsuchen. Jemand von der Kriminaltechnik würde das Schloss knacken, falls in der nächsten Stunde niemand aufgetrieben werden konnte, der einen Zweitschlüssel besaß. Die Ungeduld, die über sie hinwegschwappte, kam Kristina plötzlich schlimmer vor als die Hitze. Sie stand ganz am Anfang ihrer Ermittlung.
    Zusammen mit Sampo ging Kristina von der Garage in den Garten. War das der letzte Weg gewesen, den Osswald genommen hatte? Einem Geräusch hinter der Villa folgend, das ihn veranlasst hatte, nicht zuerst ins Haus zu gehen?
    Wie viele Spuren das Wetter der letzten Wochen noch am Tatort zurückgelassen hatte, würde sich erst in den nächsten Tagen herausstellen. Die trockene Erde hinter dem Schuppen hatte die Flüssigkeiten, die aus Egon Osswald herausgelaufen waren, in sich aufgesogen. Zurück blieb der Abdruck eines Schattens aus Genmaterial. Dort, wo der Tote mit dem bloßen Rücken an der Wand des Gartenhauses gelehnt hatte. Und die Fliegen, die nach wie vor um die Stelle kreisten, aufgebracht darüber, ihrer Brutstätte beraubt worden zu sein. Als wüssten sie nun nicht mehr, wohin sie ihre Eier legen sollten.
    Das Bild der entstellten Leiche hatte sich auf Kristinas Netzhaut eingebrannt. Der voluminöse, aufgedunsene Körper mit den tiefen Wunden und Schwären. Ein toter Körper, der sich bewegte. Der Eindruck wurde hervorgerufen durch die zahllosen Maden, die sich unter der bleichen Haut durch das Fleisch fraßen.
    Kristina blinzelte.
    Die Stelle war nur einsehbar, wenn man sich durch die Büsche schob. Hatte der Täter sie bewusst gewählt, damit der Mord möglichst lange unentdeckt blieb? Vieles deutete darauf hin, denn es gab keine Schleifspuren.
    Kristina ging in die Knie und betrachtete den Abdruck des Körpers
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