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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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Pinienwäldchen. Die Illusion war drei Sekunden lang perfekt, dann stieg ihr ein Hauch von Finckhs Rasierwasser in die Nase.
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«, hörte sie ihn fragen.
    Mit leiser Wehmut öffnete sie die Augen, machte sich bewusst, dass sie am Ort eines Verbrechens war, und nahm die Szenerie in sich auf. Noch beschatteten die hohen Fichten den Vorplatz, der mit drei Einsatzfahrzeugen und einem Privatwagen zugestellt war. Kollegen in Uniformen oder weißen Einwegoveralls standen auf der Granittreppe vorm Haus.
    Sampo Hietaniemi, der Chef der Kriminaltechnik, winkte ihr zu. Zurückhaltend, wie es seine Art war. Der Finne arbeitete jetzt beinahe zwei Jahre in ihrer Direktion und war ein sehr angenehmer Zeitgenosse.
    Auch ein Zugezogener, so wie ich.
    Er hatte ihr nie verraten, warum er hiergeblieben war. Sampo war im Rahmen eines europaweiten Austauschprogramms für Kriminologen von Skandinavien nach Süddeutschland gekommen. Ein Programm, das vormals auf sechs Monate angesetzt gewesen war. Danach hatte er sich fest auf die frei gewordene Stelle in der Kriminaltechnologie beworben. Die deutsche Sprache hatte er von seiner Mutter gelernt, die in den Sechzigern längere Zeit in Hamburg gelebt hatte. Das hatte er Kristina eines Tages in der Kaffeeküche erzählt. Mehr Privates hatte sie bislang über den Exoten in der Dienststelle nicht in Erfahrung bringen können. Dabei hatten sie schon zahllose Gespräche geführt. Erschreckend, dass es dabei immer nur um die Arbeit gegangen war.
    Sampo löste sich aus der Gruppe und kam ihr entgegen. Auch er steckte in einem Papiereinteiler, um den Fundort der Leiche nicht mit seinem Genmaterial zu verunreinigen. Durch sein hellblondes Haar schimmerte die von der Sonne gerötete Kopfhaut. Sampo versteckte seine eisblauen Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille und sah damit bestechend attraktiv aus.
    »Verflucht heiß!«, schimpfte Finckh. »Wie hältst du das aus?«
    Sampo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, gab jedoch keine Antwort. »Hinterm Haus«, sagte er stattdessen und wies mit seiner Stupsnase in die Richtung. »Die Pathologin ist bereits zugange.«
    »Wem gehört die Hütte?«
    »Einem Egon Osswald. Hat hier allein gelebt. Zumindest ist sonst niemand gemeldet. Ob der Besitzer der Villa und der Tote identisch sind, muss noch geklärt werden.«
    Kristina und Finckh bekamen Plastikgaloschen, die sie pflichtbewusst über die Schuhe zogen. Sie folgten dem Forensiker um das Hauptgebäude herum. Die heiße Luft wurde von einem süßlichen Geruch durchzogen, kaum dass sie den hinteren Garten betraten. Der Duft des Sommers vermischte sich mit der abscheulichen Note der Vergänglichkeit, die Kristina zu ihrem Bedauern schon viel zu vertraut war. Sie konnte sich nur nicht daran erinnern, den Gestank des Todes außerhalb geschlossener Räume jemals so intensiv wahrgenommen zu haben, noch ehe eine Leiche überhaupt in Sicht war. Finckh neben ihr rümpfte die Nase.
    Hinter der Villa waren die Fichten kaum zwanzig Meter vom Haus entfernt. Knorrig und stumm ragten sie empor. Kein Lüftchen wehte um die Baumkronen. Stille Zeugen des Verbrechens, das neben ihnen verübt worden war.
    Vor dem Backsteinwall wuchsen ein paar Büsche auf von Hitze verbranntem Rasen. Rechts stand ein maisgelb gestrichenes, schindelbedecktes Gartenhaus. Die Holzkonstruktion hatte eine Grundfläche von ungefähr fünfundzwanzig Quadratmetern. Auf der Vorderseite schloss es mit einer kleinen, weiß getünchten Veranda ab, auf der ein bequem aussehender Schaukelstuhl stand.
    Das kleine Idyll des Landadels.
    An der Kristina zugewandten Längsseite stapelte sich Brennholz bis unter den Dachvorsprung. Davor stand ein massiver Holzblock, in den jemand eine Axt geschlagen hatte. Der armlange Stiel ragte wie ein mahnender Finger in die Höhe und lenkte alle Blicke auf sich. Ein Kriminaltechniker sicherte Spuren an dem abgegriffenen Holzschaft.
    Die Mordwaffe? Ein eingeschlagener Schädel?
    Trotz der stickigen, warmen Luft, die über der künstlichen Lichtung hing, lief Kristina ein Schauder über den Rücken. Der Anblick einer Leiche war niemals erstrebenswert, aber es gab durchaus Abstufungen, was die Erträglichkeit des Grauens anging.
    Der Bereich hinter dem Gartenhaus und zur Mauer hin war mit einem Plastikband abgesperrt. Ein Kriminaltechniker machte Fotos von einer Stelle, die Kristina nicht einsehen konnte, weil der Schuppen und zwei Johannisbeersträucher sie verborgen hielten.
    Schweigend
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