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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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Stundenkilometern, und Kristina merkte, wie ihr rechter Fuß sich verbissen gegen das Bodenblech des Dienstwagens stemmte und das nicht vorhandene Gaspedal auf der Beifahrerseite durchtrat. Ungewollt schwappte die Erinnerung an letzten Sonntag in ihre Gedanken.
    Die Kollegen der Verkehrsüberwachung hatten sie ganz in der Nähe auf einen Parkplatz an der Bundesstraße 14 gewunken. Nachts um halb elf. Die rote Kelle hatte ihr grell entgegengeleuchtet. In diesem Moment hatte sie nicht einmal gewusst, wie schnell sie gefahren war. Selbst das Radargerät hatte sie nicht bemerkt, das die stark überhöhte Geschwindigkeit erfasste, mit der sie über das verlockend breite und leere Asphaltband geflogen war. Nach einem obligatorischen Abgleich mit der Verkehrssünderkartei in Flensburg entschieden die Uniformierten, die Fahrlizenz gleich an Ort und Stelle einzubehalten. Das Argument, sie sei eine Kollegin, stieß auf taube Ohren. Gut möglich, dass die lautstarke Auseinandersetzung, die sie mit den Polizisten zwischen den parkenden Autos austrug, deren Entscheidung gegen sie erleichterte. Zweifelsohne war auch Häme im Spiel. Kristina wusste, dass man ihr in der Polizeidirektion eine gewisse Ruppigkeit nachsagte, die sie nur mäßig beliebt machte. Die schwäbischen Kollegen, die sie weniger gut kannte, wurden nicht grün mit ihrer forschen bayerischen Art. Sie zeigte meist wenig Ambitionen, sich zu verbiegen. Vermutlich packten die Verkehrsüberwacher deshalb die Möglichkeit beim Schopf, ihr einen Denkzettel zu verpassen. Man nötigte sie schließlich dazu, sich ein Taxi zu rufen, mit dem sie nach dreißig Minuten heftiger Auseinandersetzung zornentbrannt abzog. Ihr 3er- BMW stand bis zu diesem Tag auf dem Parkplatz, weil ihr noch niemand eingefallen war, der ihn für sie abholen konnte. Zumindest niemand, dem sie eingestehen wollte, dass sie die nächsten Monate zu Fuß gehen musste.
    Kristina atmete tief durch. Es wäre besser, sich auf das vorzubereiten, was sie in den Wäldern des Schwäbisch-Fränkischen Naturparks erwartete. Die Schmach auszublenden und ihre Gedanken für die bevorstehende Ermittlung zu sammeln. Immer vorausgesetzt, dass der Fall in die Zuständigkeit des Dezernats für Gewaltverbrechen fiel, für das sie seit sieben Jahren arbeitete.
    Ein Toter?
    Die Ausführungen ihres Kollegen waren dürftig, womit er ihren Anweisungen folgte und vorerst nur oberflächliche Informationen an sie weitergab. Kristina wollte den Fundort der Leiche unvoreingenommen betreten, so wie sie es von ihrem Mentor, Hauptkommissar Albrecht Holle, gelernt hatte. Zu viele im Vorfeld getroffene Spekulationen konnten den ersten Eindruck verfälschen, den sie sich vom Fundort machen wollte.
    Eine schmale Straße führte durch den Wald zu einem Landhaus, das einer klassizistischen Villa glich und von einer mannshohen Mauer umgeben war. Einer Mauer, die im Vergleich zum Haus dahinter relativ neu aussah. Das Grundstück lag abgeschieden. Ein Streifenpolizist stand an der breiten Toreinfahrt und ließ Kristina passieren. Dahinter erwartete sie ein beachtliches Anwesen, eingefasst von einem dichten Fichtenwald. Dunkel sah er aus, bedrohlich, trotz des stahlblauen Himmels, der über den schwarzen Wipfeln strahlte. Kristina war in solch einer ursprünglichen Natur groß geworden und mochte den Wald. Das Rauschen in den Bäumen, das Spiel von Licht und Schatten und die Ruhe, die gleichwohl von tausend Stimmen getragen wurde.
    Die kiesbedeckte Zufahrt führte zu dem dreistöckigen Gebäude mit einem übertriebenen Eingangsportal und einer gepflegten Grünanlage. Rechts neben dem Haupthaus befand sich eine Doppelgarage mit Giebeldach. Alter Baumbestand und akkurat arrangierte Blumenbeete dominierten den Garten. Bei genauerem Betrachten wurde jedoch ersichtlich, wie sehr die Bepflanzung an der Trockenheit der letzten Wochen litt.
    »Wusstest du das?«
    Finckh zuckte mit den Schultern. Unter den Achseln hatten sich bereits deutliche Schweißflecken ausgebreitet. Sie hätte ihm erlauben sollen, die Klimaanlage anzuschalten, aber er hatte nicht danach gefragt.
    »Die Kollegen meinten nur, es sähe imposant aus.«
    »Protzig wäre meine Definition«, gab sie zurück.
    Der feine Kies in der Einfahrt knirschte unter den Reifen, als Finckh den Wagen zum Stehen brachte. Beim Aussteigen wehte Kristina heiße Luft entgegen. Würzig und trockener als unten am Fluss. Sie machte für zwei Sekunden die Augen zu und träumte sich in ein toskanisches
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