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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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er sich seine Taten schönredete, um nicht mit Todsünden behaftet abzutreten?
    »Als Nächstes wollen Sie mir weismachen, dass auch Carola Walz unglücklich in die Rems gefallen ist und sich dabei den Bauch aufgeschlitzt hat«, fauchte Kristina, während sie den Griff ihrer Pistole zu packen bekam.
    Gleichzeitig wuchtete sie sich hoch, ihre rebellierende Schulter ignorierend und voll beißender Angst, sich eine weitere Kugel einzufangen.
    Nichts dergleichen geschah. Der Remstalschlächter nahm es hin, dass sie sich hinter einer Gefriertruhe an der gegenüberliegenden Wand in Deckung warf.
    Bruno Schwarz rührte sich nicht mehr.
    Coma diabeticum
, hatte es Arthur Lorenz genannt, und Kristina wunderte sich, dass sie diesen Begriff behalten hatte.
    Vorsichtig erhob sie sich. Das Loch in der Schulter brannte, und die Taubheit im Arm kroch bis in die Fingerspitzen. Sie behielt die Dienstwaffe in der linken Hand und näherte sich in einem Bogen.
    Wenn er auch nur muckt, drücke ich ab!
    Den Gefallen tat er ihr nicht. Sie konnte nicht einmal erkennen, ob er noch atmete.
    Am liebsten wäre sie einfach in dieser Haltung verharrt, bis Decher eintraf. Doch sie musste Ralf finden! Die Notrettung verständigen. Die anderen Geiseln suchen. Louise Osswald, Karl Mezger, Achterberg.
    Daniel.
    Sie wagte noch einen Schritt, dann stand sie direkt vor Schwarz und ging in die Knie, damit sie ihm auf Augenhöhe begegnete. Der Lauf ihrer Waffe war nun keine fünf Zentimeter mehr von seiner Schläfe entfernt. Sein kleiner, kahler Schädel lehnte noch immer an den unverputzten Ziegeln, die Lider waren geschlossen. Sie müsste seinen Puls fühlen, wollte ihn aber nicht anfassen.
    Kristina schob die Pistole umständlich ins Halfter, um ihr Mobiltelefon aus der Tasche holen zu können. Das helle Klirren von Eisen, das über Stein geschleift wurde, ließ sie herumfahren.
    Doreen stand vor ihr. Das Beil schwang knapp über den Boden. Kristina taumelte zurück. Das blaue Licht des Handydisplays beleuchtete das maskenhafte Gesicht der Frau. Ausdruckslos starrte sie Kristina entgegen. Doreen hob den abgegriffenen Schaft.
    Kristina schleuderte ihr Telefon nach der Bäuerin und traf sie am Kopf. Nicht hart genug, um ihr Zeit zu verschaffen, die Waffe wieder aus dem Lederetui an ihrem Gürtel zu ziehen. Doreen kam unbeirrt näher.
    Kristinas rechter Arm baumelte gefühllos am Körper hinab, Blut rann über ihre Finger und tropfte zu Boden. Sie machte einen weiteren Schritt nach hinten und ging in Grundstellung.
Tai-Sabaki
und dann ausweichen mit
Irimi ashi
, wenn der Angriff kam. Hundertfach trainiert, aber noch nie gegen einen Axthieb. Sie schluckte trocken, war bereit. Da legten sich eisige Finger um ihren Knöchel.
    Wie festgefroren lag Bruno Schwarz’ Klaue um ihr Bein, hielt sie fest, in der Absicht, sie mit in die Kälte der Hölle zu reißen.
    Doreen Mezger holte aus.
    Im selben Moment huschte ein Schatten an ihr vorbei und fällte die Frau mitsamt ihrer Axt.

20
    »Weißt du, warum Schwarz die Wagen getauscht hat?«, fragte Daniel und schob seine Sonnenbrille auf der Nase zurecht.
    Die Luft war kühl. Erfrischend. Es sollte ein schöner Tag werden. Nicht zu heiß, angenehm sonnig. Der erste Sommertag, seit der Sturm vor einer Woche über den Südwesten hinweggefegt war und einen Tiefausläufer mit sich geschleppt hatte. Kaltfeuchte Luftmassen, prall gefüllt mit Regen, den das ausgetrocknete Land gierig aufsog. Das Unwetter selbst war beinahe schon wieder vergessen.
    Bei den meisten zumindest.
    Nicht bei den Weinbauern, die über schwere Hagelschäden klagten, und auch nicht bei der Forstwirtschaft. Der Orkan hatte einige Schneisen durch die umliegenden Wälder gepflügt und regional schweren Holzbruch verursacht, der die Waldarbeiter noch einige Monate beschäftigen würde.
    Davon abgesehen kämpfte man während des Sturms, der den merkwürdigen Namen
Klaus
bekommen hatte, vereinzelt mit überschwemmten Kellern. Entwurzelte Bäume hatten parkende Autos zermalmt, Oberleitungen an Bahnstrecken durchtrennt und Straßen blockiert. Längst waren diese Schäden durch die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk wieder beseitigt. Es gab zwei Dutzend Verletzte, aber keine Todesfälle. Zumindest keine, die durch die naturgewaltigen Auswirkungen von
Klaus
ums Leben gekommen waren.
    »Hast du was gesagt?«, fragte Kristina. Sie war seit der letzten Woche grüblerisch.
    »Schwarz. Warum er die Autos getauscht hat?«
    Sie schüttelte den
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