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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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langen Hälsen über die Dächer der Einsatzfahrzeuge hinweg hoch zur Villa blickten. Kristina dankte der Einsamkeit, die ihnen bislang weitere Schaulustige erspart hatte. An diesem Ort kam selten jemand zufällig vorbei.
    Aber Kristina machte sich nichts vor. Die Kunde eines Verbrechens würde sich trotzdem wie ein Lauffeuer verbreiten. Sehr bald würden sich die Leute aus der Umgebung unten am schmiedeeisernen Tor drängen. Tuschelnd und mit gespielter Entrüstung. Gleichwohl bestürzt darüber, dass das Böse nun auch den Weg an diesen friedvollen Flecken gefunden hatte.
    Kristina war gespannt, was die Leute aus den umliegenden Höfen und dem nahen Dorf über den einsamen Bewohner dieses feudalen Hauses zu erzählen wussten. Vielleicht lag in den Aussagen dieser Menschen bereits die Lösung des Falls. Aber wenn Kristina an den Anblick der Leiche dachte, erschien ihr eine schnelle Aufklärung wie Wunschdenken. Nein, sie hatte kein gutes Gefühl.
Ganz und gar nicht.
    Obwohl der Prachtbau annehmen ließ, dass hier einiges zu holen war, schloss Kristina aus, dass der Hausbesitzer einen Einbrecher überrascht hatte. Oder gar jemanden, der im Garten Brennholz klauen wollte. Es war nicht bei einem Axthieb geblieben.
    Was hatte sich vor rund drei Wochen hinter dem Gartenhäuschen abgespielt? Warum wurde der Hausbesitzer nicht vermisst? Von niemandem im Dorf, nicht vom Briefträger und auch nicht von den Angehörigen, falls solche überhaupt existierten.
    Hat nicht jeder irgendwen, der bisweilen an einen denkt?
    In der Zentrale saß bereits jemand am Rechner, um herauszufinden, wer diesem Mann nahestand. Dabei konnten sie objektiv betrachtet noch immer nicht sicher sein, dass der Tote hinter dem Schuppen wirklich Egon Osswald war.
    Ich bin zu unstrukturiert, schimpfte sie sich. Ihr fehlte Hauptkommissar Holle. Der Leiter des K1 war wegen eines Schlaganfalls nach wie vor in Reha. Wann oder ob er je zurückkommen würde, konnte im Moment niemand beantworten. Kristina war seine Vertretung, die neue Chefin. Alles lastete auf ihr. Ein Druck, der bislang zu ertragen gewesen war.
Bislang!
    »Sprechen wir mit dem Bauern«, entschied sie und erhob sich. Die Schwerkraft hatte zugenommen. Ihr Mund war trocken. Sie hätte etwas zu trinken mitnehmen sollen.
    Ich vertrockne hier wie der Rasen.
    Wo steckte Osswalds Gärtner? Im Urlaub? Die Putzfrau? So eine musste es doch geben für den riesigen Kasten.
    Das Verlangen nach einem Schluck Wasser wuchs mit jedem Schritt über den sonnenüberfluteten Vorplatz. Der Kies knirschte. Wasser oder eine Zigarette.
    Finckh folgte schwer atmend. Der Polizeiobermeister hatte kaum gesprochen, seit sie die Leiche begutachtet hatten. Selbst den Forensikern war anzusehen, dass diese Tat nicht leicht zu verdrängen sein dürfte, wenn sie nach getaner Arbeit in ihr Privatleben zurückkehrten. Es war ein Massaker. Für Kristina sah es aus, als ob Wut und Hass den Täter übermannt hatten.
    Oder die Lust am Töten? Der Wahn eines Psychopathen?
    Nein, so weit wollte sie nicht vorauseilen.
    Der Bauer stand im Schatten eines Holunderbuschs neben einem der Einsatzwagen und hielt sich an einem Pappbecher fest. Seine Körperhaltung zeugte davon, dass er nicht an diesem Ort sein wollte.
    Keiner ist freiwillig hier!
    Kurz fragte sich Kristina, ob ihm jemand psychologische Betreuung angeboten hatte. Auf den ersten Blick sah er nicht sonderlich mitgenommen aus. Oder er wusste den Schrecken zu verbergen; in seinem runden, wettergegerbten Gesicht unter dem zerzausten, aschbraunen Haarschopf. Er war von schmächtiger, leicht gekrümmter Gestalt, mit einer gewissen Vorsicht im Blick, die man häufiger bei Bewohnern ländlicher Regionen antraf. Orten, die der Gegend glichen, in der Kristina aufgewachsen war. Sie schätzte den Mann auf Mitte vierzig, konnte sich aber auch irren. Vielleicht warteten auf seinem Hof Frau und Kinder auf Neuigkeiten. Würde er beim Mittagessen darüber sprechen, was er entdeckt hatte? Zog er dabei wie beiläufig den Vergleich zum Schweineschlachten, damit sich die Familie ein Bild machen konnte?
    Neidisch blickte sie auf den Pappbecher mit Wasser in der Hand des Landwirts. Kräftige Finger, die es gewohnt waren, eine Axt zu schwingen. Er trug eine grüne, verdreckte Latzhose und darunter ein gelbstichiges Feinrippunterhemd. Dazu Gummistiefel.
    »Oberkommissarin Kristina Reitmeier«, stellte sie sich vor.
    »Karl Mezger«, erwiderte der Bauer, ohne seine freie Hand aus der Hosentasche zu
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