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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers
Autoren: Dean R. Koontz
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dachte Holly und hätte fast laut gelacht.
    Louise wirkte zäh, robust, vital und lebendig. Die Dichterin war fünfunddreißig, nur zwei Jahre älter als Holly, obgleich der Altersunterschied mindestens zehn Jahre zu betragen schien. Die Falten in den Augen- und Mundwinkeln sowie die ledrige, sonnengebräunte Haut ließen vermuten, daß sie sich oft im Freien aufhielt. Außerdem schien sie gern zu lachen. Das von der Sonne gebleichte Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und sie trug Jeans und eine karierte blaue Bluse.
    »Im Waldboden gibt es eine Reinheit, mit der sich nicht einmal die gründlich geschrubbten und sterilisierten Fliesen eines Operationssaals messen können«, behauptete Louise. Sie neigte den Kopf zurück und genoß das warme Licht der untergehenden Sonne. »Die Reinheit der natürlichen Welt läutert die Seele. Und die neugewonnene Lauterkeit der Seele ermöglicht den erhabenen Dunst großer Poesie.«
    »Erhabenen Dunst?« wiederholte Holly, als sei sie nicht ganz sicher, ob der Kassettenrecorder jeden genialen Ausdruck aufzeichnete.
    »Erhabenen Dunst«, bestätigte Louise und lächelte.
    Holly fühlte sich in erster Linie von der inneren Louise abgestoßen. Sie hatte einen weltfernen Standpunkt entwickelt und wirkte in diesem Zusammenhang wie eine geisterhafte Projektion, stellte mehr Oberfläche dar als Substanz. Ihren Meinungen und Einstellungen fehlte es an Gewicht. Sie basierten nicht auf Fakten und Erkenntnissen, sondern auf Launen und Marotten, die Louise als Offenbarung anbot. Darüber hinaus verkündete sie ihre Weisheiten in einer Sprache, die ebenso extravagant wie ungenau war, schwülstig und leer.
    Auch Holly legte großen Wert auf Umweltschutz, und es bereitete ihr einen gewissen Kummer festzustellen, daß Louise und sie in einigen Punkten die gleiche Ansicht vertraten. Es gefiel ihr nicht, Verbündete zu haben, die ihr dämlich erschienen - dadurch stellte man seine eigenen Meinungen in Frage.
    Louise beugte sich vor und faltete die Hände auf dem Redwood-Tisch. »Die Erde lebt. Sie könnte mit uns sprechen, wenn sie uns für würdig hielte. Sie wäre imstande, in Steinen, Pflanzen und Teichen einen Mund zu öffnen und so mit uns zu reden wie ich mit Ihnen.«
    »Was für eine aufregende Vorstellung«, kommentierte Holly.
    »Menschen sind nichts weiter als Läuse.«
    »Läuse?«
    »Ja«, erwiderte Louise verträumt. »Und sie kriechen auf der lebenden Erde umher.«
    »Mit dieser Perspektive bin ich nicht vertraut«, sagte Holly vorsichtig.
    »Gott ist nicht nur in jedem Schmetterling Gott ist jeder Schmetterling. Das gilt auch für Vögel, Hasen und alle anderen freien Tiere. Ich würde eine Million Menschen opfern - ach, sogar zehn Millionen und mehr! -, um einige unschuldige Wiesel zu retten. Denn Gott ist jedes Wiesel.«
    »Ich spende in jedem Jahr für den Naturschutzbund«, entgegnete Holly. Es klang so, als sei sie beeindruckt von Louises Rhetorik, als hielte sie ihre Ausführungen nicht für ÖkoFaschismus. »Ich sehe mich ebenfalls als Umweltschützerin, aber leider habe ich noch keine so hohe Bewußtseinsstufe erreicht wie Sie.«
    Die Dichterin überhörte den Sarkasmus, streckte den Arm aus und drückte Hollys Hand. »Keine Sorge, Teuerste. Sie schaffen es bestimmt. Ich spüre bei Ihnen die Aura einer ausgeprägten spirituellen Potentialität.«
    »Wenn ich Sie richtig verstehe … Gott ist Schmetterlinge, Hasen und alle freien Tiere. Außerdem ist Gott Steine, Erde und Wasser aber wir bleiben von ihm völlig unberührt?«
    »Ja. Aufgrund unserer einen unnatürlichen Eigenschaft.«
    »Und die wäre?«
    »Unsere Intelligenz.«
    Holly blinzelte überrascht. »Intelligenz ist unnatürlich?«
    »Zumindest eine hohe Intelligenz. Es gibt sie in keinen anderen Geschöpfen der natürlichen Welt. Deshalb scheut uns die Natur. Deshalb hassen wir sie unbewußt und versuchen, sie zu zerstören. Hohe Intelligenz ermöglicht das Konzept des Fortschritts. Der Fortschritt wiederum führt zu Atomwaffen, Gentechnik, Chaos und letztendlich zu umfassender Vernichtung.«
    »Haben wir unsere Intelligenz nicht Gott zu verdanken … beziehungsweise der natürlichen Evolution?« fragte Holly.
    »Sie ist das Ergebnis einer unerwarteten Mutation. Wir sind Mutanten. Ungeheuer.«
    »Anders ausgedrückt: Je weniger Intelligenz ein Geschöpf hat…«
    »… desto natürlicher ist es«, beendete Louise den Satz.
    Holly nickte nachdenklich, als ziehe sie ernsthaft in Betracht, daß eine
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