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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers
Autoren: Dean R. Koontz
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ebenfalls den Kopf, aber es ging ihm nicht darum festzustellen, was nun geschah. Er wußte, was sich anbahnte. Er sah auf, um sein Gesicht scharfen Schnäbeln und langen Krallen darzubieten.
    Holly verließ ihren Platz auf der Bank, um ein besseres Ziel zu bieten. »Jim, um Himmels willen: Erinnere dich endlich! Finde dich mit der Wahrheit ab.«
    Sie hörte das Kreischen der sich rasch nähernden Vögel.
    »Selbst wenn der Feind deine Großmutter tötete …« Holly schob die Hände hinter Jims Kopf, drückte ihn an ihre Brust und schirmte ihn ab. »Irgendwie kommst du darüber hinweg. Du kannst wieder ganz du selbst werden.«
    Henry Ironheart stieß einen überraschten Schrei aus, und eine halbe Sekunde später jagten die Vögel heran, schlugen mit den Flügeln, sausten davon, kehrten zurück und versuchten, an Holly vorbeizugelangen, Jim zu erreichen, ihm die Augen auszuhacken.
    Holly spürte weder Schnäbel noch Krallen, aber sie wußte nicht, wie lange sie noch damit rechnen konnte, verschont zu werden. Die gefiederten Geschöpfe waren der Feind, der sich nun auf eine ganz neue Art und Weise manifestierte - und der Feind haßte sie ebensosehr wie Jim.
    Die Vögel segelten über den Hof, stiegen wieder zum Himmel hoch wie Blätter im Aufwind.
    Henry Ironheart war zutiefst erschrocken, jedoch unverletzt. »Gehen Sie ins Haus zurück!« schrie Holly.
    »Nein«, erwiderte er und streckte hilflos die Hand nach Jim aus. Sein Enkel ignorierte ihn.
    Als Holly den Mut fand, wieder nach oben zu blicken, begriff sie sofort, daß die Vögel nicht aufgegeben hatten. Sie segelten nun durch die faserigen Ränder der grauen Wolken, und ein zweiter Schwärm gesellte sich ihnen hinzu. Es waren jetzt insgesamt fünfzig oder sechzig, dunkel und zornig, hungrig und schnell.
    Holly bemerkte mehrere Personen an den Fenstern des Pflegeheims, an den gläsernen Schiebetüren. Zwei Krankenschwestern traten nach draußen, sie benutzten dabei jene Tür, durch die Holly zuvor den Rollstuhl geschoben hatte.
    »Bleiben Sie im Haus!« rief sie ihnen zu und wußte nicht genau, ob den beiden Unbeteiligten ebenfalls Gefahr drohte.
    Jims Zorn richtete sich gegen ihn selbst - und vielleicht auch gegen Gott, weil er den Tod zuließ -, aber vielleicht war die Wut in ihm stark genug, um auch Unschuldige in Mitleidenschaft zu ziehen. Hollys Warnung klang offenbar alarmierend, denn die beiden Krankenschwestern kehrten tatsächlich ins Gebäude zurück.
    Erneut sah Holly auf. Der große Schwärm näherte sich.
    »Jim«, sagte sie drängend, hielt seinen Kopf in beiden Händen, blickte ihm tief in die wunderschönen blauen Augen, in denen nun das kalte Feuer des Selbsthasses brannte. »Nur noch ein Schritt, nur noch eine Erinnerung.« Nur wenige Zentimeter trennten sie von seinem Gesicht, aber Holly bezweifelte, ob er sie sah. Er starrte durch sie hindurch wie in den TivoliGärten, als sich das Ungeheuer im Boden zu ihnen grub.
    Die heranfliegenden Vögel kreischten dämonisch.
    »Jim, verdammt! Was in jener Nacht mit Lena geschah, ist vielleicht keinen Selbstmord wert !«
    Das Flattern und Krächzen wurde fast ohrenbetäubend laut. Einmal mehr drückte Holly Jims Gesicht an die Brust, und wieder leistete er keinen Widerstand, als sie ihn schützte. Das gab ihr neue Hoffnung. Sie neigte den Kopf und schloß die Augen so fest wie möglich.
    Die Vögel kamen: seidene Federn; glatte, kalte Schnäbel, die vorsichtig pickten und suchten; Krallen, die sanft kratzten, dann nicht mehr ganz so behutsam, ohne jedoch blutende Wunden zu verursachen; die Geschöpfe flatterten gierig umher, zirpten und krächzten, tasteten, sprangen, hüpften, glitten über Holly Rücken, ihre Beine, schoben sich zwischen die Schenkel und über den Oberkörper, versuchen immer wieder, das Gesicht zu erreichen, das zwischen ihren Brüsten ruhte - und dort Haut zu zerfetzen, um Krallen tief in lebendes Fleisch zu bohren, um zu töten. Die Angreifer waren überall, und die ganze Zeit über vernahm Holly das Kreischen, so schrill wie die Schreie wahnsinniger Frauen in psychopathischem Zorn. Es ertönte direkt in ihren Ohren, ein wortloses Verlangen nach Blut, Blut, Blut, und dann spürte sie plötzlichen Schmerz, als ihr ein Vogel den Ärmel und auch die Haut darunter aufriß.
    »Nein!«
    Die Vögel stiegen auf und zogen sich wieder zurück. Holly merkte zuerst gar nicht, daß sie fort waren, denn ihr pochendes Herz und ihr zischender Atem klangen genauso wie das donnernde Schlagen der
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