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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman
Autoren: Elizabeth Haran
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Wasseroberfläche verborgenen gezackten Felsen schrammte, ging durch Mark und Bein. Die Kinder an Bord klammerten sich ängstlich schreiend an ihre weinenden Mütter. Stoßgebete wurden zum Himmel geschickt, als das Schiff von der Dünung angehoben, noch ein paar Meter weiter auf die Klippen geschoben und von den scharfkantigen Felsen regelrecht aufgespießt wurde. Ein weiterer gewaltiger Brecher warf das Schiff auf die Steuerbordseite. Passagiere und Matrosen wurden wie Strohpuppen umhergeschleudert. Ihre Schreie erstarben, als das eiskalte Wasser ins Schiffsinnere brach und die unteren Decks überflutete. Die Maschinen wurden gestoppt, damit die Schraube nicht an den Felsen zerschellte. In das Tosen des Meeres mischten sich die markerschütternden Entsetzensschreie der Menschen. Zwei schreckliche Minuten vergingen.
    Dann schien es, als hätte das Schiff sich stabilisiert. Kapitän Brenner befahl, die Rettungsboote zu Wasser zu lassen und die Fahrgäste in Sicherheit zu bringen. Sekunden später stürzte der Schornstein der Gazelle krachend um und begrub den Bug unter sich. Das Schiff konnte dem Druck nicht mehr standhalten und zerbrach in drei Teile. Jetzt lagen die Kabinen und Gesellschaftsräume in undurchdringlicher Finsternis. In Todesangst drängten die Passagiere sich aneinander. Menschen und ein Teil der Fracht wurden über Bord gespült, Rettungsboote davongeschwemmt. Dort, wo der vordere Teil des Schiffes lag, war das Wasser über den Klippen sehr viel tiefer als am Heck, das hoch emporragte. In ihrer Panik versuchten die Menschen vom vorderen und mittleren Teil des Schiffes das Heck zu erreichen, indem sie sich an einem Seil entlanghangelten, das von einem Besatzungsmitglied gesichert wurde. Doch kaum jemand schaffte es. Die meisten wurden von den Wellen ins Meer gerissen.
    Lucy, Amelia und Sarah Jones befanden sich im Salon im Heck der Gazelle . Sie waren starr vor Angst. Hätten sie gewusst, dass die meisten Rettungsboote losgerissen und fortgetrieben worden waren, hätte ihr Entsetzen nicht größer sein können. Amelia konnte nur an eines denken: dass sie ihrer Familie jetzt wohl ins Grab folgen würde. Lucy war viel zu verängstigt, um sie beruhigen zu können.
    Während das Heck des Schiffes in der aufgewühlten See und dem tobenden Sturm gefährlich schaukelte, versuchte die Mannschaft verzweifelt, die Menschen in Sicherheit zu bringen. Die Herren Hedgerow, Albertson und Brown mussten mit ansehen, wie drei ihrer kostbaren Rennpferde um ihr Leben schwammen und das vierte gegen die Klippen geschleudert wurde. Sie versprachen den Seeleuten hundert Pfund für einen Platz in den Rettungsbooten. William Smith, einer der Matrosen, war wütend und schockiert über so viel Feigheit und Egoismus. Er fing den fassungslosen Blick einer Mutter auf, die um das Leben ihrer vier kleinen Kinder bangte und das Angebot der Gentlemen ebenfalls gehört hatte.
    »Frauen und Kinder zuerst!«, fuhr Smith die Herren zornig an. Zwei andere Matrosen jedoch, Ronan Ross und Tierman Kelly, waren versucht, sich auf den Handel einzulassen. Doch wozu? Tote brauchen kein Geld. Und allen war klar, dass es an ein Wunder grenzte, wenn jemand die Katastrophe überlebte.
    Die Mannschaft traf sämtliche Notmaßnahmen. Die Matrosen versuchten, Leuchtraketen abzufeuern, doch es gelang ihnen nicht, weil das Pulver nass geworden war. In der Hoffnung, ein vorüberfahrendes Schiff oder der Leuchtturmwärter würden das Notsignal hören, wurde die Schiffsglocke geläutet. Doch es war eine Tat schierer Verzweiflung. In diesem heulenden Sturm würde niemand sie hören.
    Als vom Bug aus eins der Rettungsboote der Gazelle gesichtet wurde, das kieloben im tosenden Wasser trieb, erbot sich einer der Passagiere, ein holländischer Seemann, dorthin zu schwimmen. Mit einem Seil gesichert, das er sich um die Taille gebunden hatte, sprang er in die Fluten und schaffte es tatsächlich, das gekenterte Boot zu erreichen. Schon brandete Jubel auf. Plötzlich aber löste sich das Seil, und der Mann wurde mitsamt dem Boot, an dessen Rumpf er sich klammerte, von der Gazelle weg aufs offene Meer und in den sicheren Tod getrieben.
    Zwei Seeleuten gelang es, das letzte noch verbliebene Rettungsboot am Heck des Schiffes zu Wasser zu lassen. Während der eine Matrose ins Boot kletterte, eine Sturmlaterne in der Hand, half der andere den Passagieren das steil emporragende, schlüpfrige Deck hinunter in das knietiefe Wasser, wo sie von dem Matrosen im Rettungsboot an
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