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Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
Autoren: Jules Verne
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und morgen, nachdem ich meine Erkundigungen eingezogen habe, hoffe ich, daß Ihr Name im Schiffsbuche eingetragen werden wird.
    – Auf morgen also, antwortete der junge Arzt, und was die Abfahrt betrifft…
    – O, die könnte auch noch morgen Abend mit dem ersten Eintritt der Ebbe erfolgen, wenn es mir gelungen wäre, für den Platz des Böttchers ebenso Ersatz zu finden, wie für den des Arztes.
    – Ihre Mannschaft ist also noch nicht vollzählig, Herr Kapitän?
    – Leider nein, Herr Filhiol, denn es ist ausgeschlossen, auf den armen Brulard zu rechnen.
    – Ist der Mann denn krank?
    – Nun ja, wenn man es krank sein nennen darf, wenn einer einen Rheumatismus hat, der ihm Arme und Beine lähmt… Sie können mir aber getrost glauben, daß er sich diesen nicht während der Fahrt auf dem »Saint Enoch« geholt hat.
    – Da fällt mir ein, Herr Kapitän, bemerkte jetzt der junge Arzt, daß ich Ihnen vielleicht einen Böttcher nachweisen kann…
    – Sie?«…
    Der Kapitän erging sich seiner Gewohnheit gemäß schon in vorzeitigen Danksagungen gegen den ihm von der Vorsehung gesandten Doctor. Ihm war’s, als hörte er im Laderaume schon den Schlägel an die Dauben der Fässer klopfen. Die erste Freude sollte aber nur von kurzer Dauer sein, und er schüttelte ganz kläglich den Kopf, als Filhiol hinzugesetzt hatte:
    »Sie haben also wohl gar nicht an Meister Cabidoulin gedacht?…
    – An Jean-Marie Cabidoulin in der Tournettesstraße? rief Bourcart.
    – Natürlich an diesen. Giebt es denn noch einen zweiten Cabidoulin in Havre oder anderswo?
    – Jean-Marie Cabidoulin! wiederholte der Kapitän Bourcart.
    – Ja ja, der selbst.
    – Woher kennen Sie denn Cabidoulin?
    – Daher, daß ich ihn behandelt habe.
    – Was… der ist also auch krank?… Da herrscht wohl unter den Böttchern eine reine Epidemie?
    – O nein, darüber können Sie ruhig sein, Herr Kapitän. Er hatte nur eine geringfügige Handverletzung, die schon wieder geheilt ist, so daß er recht gut mit dem Breitbeil umgehen kann. Er ist ein kerngesunder Mann von guter Constitution, für sein Alter – kaum fünfzig Jahre – recht kräftig, und ich meine, er werde seine Sache auch gut machen.
    – Ganz gewiß… ganz gewiß, antwortete Bourcart, doch, wenn Sie Jean-Marie Cabidoulin kennen, so kenne ich ihn auch, und ich glaube kaum, daß sich irgend ein Kapitän entschließen würde, den Mann an Bord aufzunehmen…
    – Warum denn das?…
    – O, sein Handwerk versteht er gründlich und hat auch verschiedene Fahrten mitgemacht… die letzte etwa vor fünf bis sechs Jahren…
    – Doch warum, Herr Kapitän, will niemand etwas von ihm wissen?
    – Weil er ein Unglücksprophet ist, Herr Filhiol, weil er immer nur Unfälle und Katastrophen voraussagt, weil, wenn man eine Reise antritt, das, seinem Reden nach, allemal die letzte sein werde, von der man nicht wiederkehrt. Und dann seine Geschichten von den Seeungeheuern, die er gesehen haben will und auch später wieder antreffen werde. Ich sage Ihnen, Herr Filhiol, der Mann ist imstande, eine ganze Mannschaft zu demoralisieren!
    – Sprechen Sie im Ernst, Herr Kapitän?
    – Völlig ernsthaft!
    – Ja… aber… beim Mangel an einem anderen, und da Sie doch einen Böttcher brauchen…
    – Freilich… ich weiß es… mangels eines anderen!… Und doch, an den… gerade an den hätt’ ich nimmermehr gedacht!… Indeß, kann man nicht nach Norden steuern, so steuert man eben nach Süden, und wenn Meister Cabidoulin wollte… er wird aber nicht wollen…
    – Man könnte es doch versuchen…
    – Nein, das ist nutzlos. Uebrigens Cabidoulin… Cabidoulin! wiederholte Bourcart.
    – Wenn wir ihn nun aufsuchten?« schlug Filhiol dennoch vor.
    Der sich offenbar unklare und etwas betretene Kapitän Bourcart schlug einmal die Arme in-und dann auseinander, er ging mit sich zu Rathe, erwog das Für und das Wider und schüttelte den Kopf, als stände er im Begriffe, sich in eine dumme Geschichte einzulassen. Der Wunsch, möglichst bald in See zu gehen, wog schließlich doch jedes Bedenken auf.
    »Nun, gehen wir also!« sagte er.
    Schon in der nächsten Minute hatten beide den Handelshafen verlassen und wendeten sich der Wohnung des Böttchers zu.
    Jean-Marie Cabidoulin war zu Hause; er befand sich in einem Zimmer des Erdgeschosses im Hofe. Es war ein zweiundfünfzigjähriger, robuster Mann, der sich hier in Cordhosen und Aermelweste zeigte. Auf dem Kopfe trug er eine Otterfellmütze und um die Hüften einen großen,
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