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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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benötigt der Papst für seinen Baumeister Carlo Maderno Unmengen an Geld für den geplanten, dreischiffigen Langhausbau der Peterskirche …«

PROLOG, ZWEITER TEIL
    10. Mai 1603, erneut im Kloster Santa Caterina
     
    ALS VOR EXAKT zehn Tagen mitten in der Nacht ein berittener Bote aus dem Kloster Santa Caterina auf Schloss Pechstein im Chiemgau angekommen war, dem Grafen Wolfgang Friedrich ein Schreiben der Äbtissin überreichend, hatte dieser zuerst an einen Irrtum geglaubt. Was hatten er und seine Familie mit einem Nonnenkloster in Norditaliens Bergen zu schaffen?
    Nach der Lektüre des bestürzenden Inhalts ließ der Graf - ungeachtet der späten Stunde - seinen Beichtvater und geistlichen Beistand kommen und weihte ihn in die Tragödie ein. Danach beratschlagten beide Herren, wie sie das Grauenvolle der Gräfin, der Mutter des toten jungen Mannes, beibringen sollten.
    Die Szene, die sich dann abgespielt hatte, war in ihrer Intensität so aufwühlend, dass der Graf sie am liebsten aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte: Die Gräfin, fassungslos vor Kummer, warf sich laut weinend zu Boden und verfluchte Gott in ihrem ersten Schmerz. Pater Winfried und Wolfgang Friedrich bereitete es große Mühe, die unglückliche Frau einigermaßen zu beruhigen. Vor allem wollte der Graf es unter allen Umständen vermeiden, dass seine Dienerschaft etwas vom Tod des Sohnes erfuhr - er wusste selbst nicht so recht, warum.
    »Ich glaube das Schreckliche erst, wenn ich den Leichnam meines Buben selbst gesehen habe«, versuchte er seine Haltung
zu erklären. Er gebot der Gräfin, so schwer es der leidgeprüften Mutter auch fallen mochte, auf keinerlei Weise irgendetwas von der Tragödie verlauten zu lassen.
    Am nächsten Morgen, in aller Herrgottsfrühe, waren der vierzigjährige Graf und der etwa zehn Jahre ältere Pater Winfried - seit zwei Jahrzehnten als Geistlicher auf Schloss Pechstein tätig - in Begleitung dreier Reitknechte heimlich nach Süden aufgebrochen.
     
    Nur der geschickten Verhandlungsführung der Ehrwürdigen Mutter war es schließlich zu verdanken, dass die beiden Väter der viel zu früh zu Tode gekommenen jungen Menschen bei ihrer lautstarken Auseinandersetzung im Kloster nicht völlig die Contenance verloren. Beinahe wäre es noch zu Handgreiflichkeiten zwischen den Edelleuten gekommen.
    Am Ende jedoch wandten sich beide Herren einmütig gegen die Äbtissin.
    »Wie in Dreiteufelsnamen konnte es geschehen«, brüllte Luisas Vater, »dass meine Tochter, die ich in guten Händen und sicherer Obhut glaubte und welche sich darauf vorbereiten sollte, eine Braut Christi zu werden, Zusammenkünfte mit einem jungen Mann hat, der sie sogar entführen wollte? Die Aufsicht in Eurem Kloster, verehrte Ehrwürdige Mutter, spottet jeder Beschreibung!
    Das wird Folgen haben! Meine Familie und ich haben beste Beziehungen zum Heiligen Stuhl und …« Auch dem Vater des jungen Mannes drohte Carlo Federico, Conte di Pietrasanta, weitreichende Konsequenzen an.
    Der Graf aus Bayern - zutiefst erschüttert über den Tod seines ältesten Sohnes, den er als eifrigen Studiosus der Jurisprudenz in Bologna wähnte und nicht als Jungfrauenentführer in einem Nonnenkloster, und von dem er gehofft hatte, er werde
einst all das erreichen, was er selber versäumt hatte - fasste sich als Erster.
    »Das Schreckliche ist nun einmal geschehen, Conte. Wir beide sind Väter, die - Gott, dem Herrn, sei’s geklagt - unsere Kinder betrauern müssen. Aber ich denke, wir können davon ausgehen, dass die beiden - trotz aller Verliebtheit - nicht vergessen haben, was sie Gott, der Kirche und ihren Familien schuldig waren. Nichts zwingt uns dazu, etwas anderes anzunehmen, als dass sowohl mein Sohn wie auch Eure Tochter noch unbefleckt in die Ewigkeit eingegangen sind.«
    Die Äbtissin beglückwünschte sich im Stillen zu ihrem Entschluss, die Schwangerschaft des Mädchens nicht erwähnt zu haben.
    »Ein armseliger Trost, ich weiß, aber immerhin!«, fuhr der Edelmann aus Bayern fort. »Die Sünde des Fleisches haben sie sicher nicht begangen - fester Glaube und strenge sittliche Erziehung sprechen dafür. Das sollte auch die trauernden Mütter der unglücklichen jungen Leute ein klein wenig trösten.«
    Beim Gedanken an seine bigotte Gemahlin zuckte der Conte regelrecht zusammen und gab ein Stöhnen von sich. Es graute ihm entsetzlich davor, mit der Contessa über die Tragödie sprechen zu müssen. Bei der geringsten Kleinigkeit verlor seine Frau die
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