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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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gering zu reden. Von Donna Clara Maria unbarmherzig in die Mangel genommen, konnte sie mit dem genauen Termin der geplanten Flucht Luisas aufwarten.
    Daraufhin hatte die Ehrwürdige Mutter schweren Herzens beschlossen, den Klosterknecht Giorgio zu beauftragen, den dreisten Verführer, der sich jetzt auch noch als Entführer betätigen wollte, über die Klostermauer zurückzuscheuchen - wenn nötig, mit brachialer Gewalt.
    Und sie, als Verantwortliche für das gefallene Edelfräulein, wollte in den nächsten Tagen die Eltern desselben einbestellen und diese auffordern, ihre entehrte Tochter - möglichst ohne jedes Aufsehen - wieder mit nach Hause zu nehmen. Vielleicht ließ sich ja noch eine Eheschließung des unbotmäßigen Pärchens arrangieren …
    Wichtig war nur, dass möglichst wenig Staub aufgewirbelt wurde - der Ruf von Santa Caterina wäre anderenfalls für immer ruiniert: Welche Tochter aus guter Familie wäre von ihrem Vater noch in die Obhut eines Klosters gegeben worden, in dem die Liebhaber ein und aus gingen und die Insassinnen schwängerten?

    »Du unseliger Dummkopf!« Die Ehrwürdige Mutter war erschüttert, als Giorgio geendet hatte und das ganze Ausmaß des Unglücks zutage trat:
    Der Knecht hatte sich verspätet; so war es ihm nicht gelungen, den Grafensohn daran zu hindern, auf den Glockenturm der Klosterkirche zu steigen, wo seine Geliebte ihn bereits sehnsüchtig erwartete. In einem kleinen Beutel hatte Luisa Maria ihre wenigen Habseligkeiten verstaut; das Wichtigste war eine lederne Geldkatze mit einigen Goldstücken.
    Auch Rupert trug etliches an Geld bei sich - sein Vater war nicht gerade kleinlich gewesen, als er seinen Sohn in die Fremde schickte. Zudem hatte der hoffnungsvolle Studiosus sich noch Bares von seinen Kommilitonen geliehen. Nach Hause getraute er sich nämlich nicht mit seiner Braut, die bereits Mutterfreuden entgegensah …
    Folglich gedachte er, sich mit Luisa Maria in Richtung Florenz durchzuschlagen, wo nahe Verwandte seiner Mutter Eleonora Augusta, geborene Contessa D’Annunzio-Malvi, lebten. Diese wollte er um Hilfe bitten, in der Hoffnung, sie würden später bei seinen Eltern ein gutes Wort für ihn und seine Liebste einlegen.
    Kaum hatte Rupert sich aus Luisas Armen gelöst, um mit ihr den steilen Abstieg vom Turm in Angriff zu nehmen, war der Knecht aufgetaucht. Giorgio forderte ihn auf, die »Jungfrau« in Ruhe zu lassen, wieder über die Klostermauer zu klettern und sich fortzuscheren. Rupert, obwohl erst siebzehn und dem bärenstarken Knecht körperlich haushoch unterlegen, war absolut kein Feigling und zudem gut trainiert. So war es in der engen Glockenstube zum Faustkampf gekommen.
    Während des heftigen Gerangels war der junge Herr von
jenseits der Alpen versehentlich zur Turmluke hinausgestürzt und unten am Fuß des Gebäudes regungslos liegen geblieben.
    Ehe der entsetzte Giorgio wusste, was er tun sollte, war Luisa Maria mit dem wilden Aufschrei »Liebster, ich komme zu dir!« zu der Maueröffnung gesprungen, wo sie sich weit hinausbeugte und einfach fallen ließ.
     
    »Wunderbar hast du das angestellt, du Tölpel!«, fauchte die Äbtissin den niedergeschlagenen Giorgio an.
    »Jetzt haben wir nicht nur einen Sittenskandal am Hals, der seinesgleichen sucht, sondern dazu noch einen Mord und eine Selbsttötung.«
    Der längst wieder auf die Knie gesunkene, hünenhafte Bursche begann bitterlich zu weinen. Ein Mörder sollte er jetzt gar sein? Dann konnte er doch gleich wieder auf den Turm steigen und sich ebenfalls von oben in die Tiefe stürzen …
    »Sei still, du Narr! Das eine können wir vielleicht so hinbiegen, dass es wie ein Unfall aussieht«, entgegnete die Mutter Oberin geistesgegenwärtig. »Er hat dich immerhin angegriffen und du musstest dich wehren; dabei ist es geschehen«, sinnierte sie. »Ja, das klingt ganz glaubhaft. Obwohl alle fragen werden, was der Fremde auf unserem Kirchturm zu suchen hatte …
    Hm! Ich muss weiter darüber nachdenken. Da fällt mir sicher noch etwas Besseres ein. Der Todessturz der verliebten kleinen Gans hingegen liegt mir schwerer im Magen. Immerhin ist Selbstentleibung eine schwere Sünde. Und ganz nebenbei: Ihr ungeborenes Kind hat sie damit auch noch ums Leben gebracht.
    Da wird ihr Vater, der Conte di Pietrasanta, dem Heiligen Vater in Rom schon eine gewaltige Summe spenden müssen, um seiner missratenen Tochter eine momentane Geistesverwirrung
attestieren zu lassen«, murmelte sie vor sich hin. »Zum Glück
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