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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Autoren: Astrid Fritz
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sie keifen. «Sie soll lernen, den Haushalt zu führen und zu nähen und flicken, was weiß ich. Du aber bringst ihr Firlefanz wie Schreiben und Rechnen bei und stopfst ihr den Kopf voll mit Dingen, die ein kleines Mädchen nichts angehen!»
    In solchen Momenten warf der Vater ihr ein verlegenes Lächeln zu, ohne diesen Vorwürfen etwas entgegenzusetzen.
    «Hiltrud hat Recht», sagte er ihr eines Abends, als er sie zu Bett brachte. «Du bist etwas Besonderes.» Er seufzte. «Weißt du, dass du deiner Mutter immer mehr gleichst? Nicht nur äußerlich, auch im Wesen.»
    Dass er die Nörgeleien seiner neuen Frau mit gesenktem Kopf über sich ergehen ließ, fand Catharina schlimm genug, doch weit heftiger traf es sie, dass er ihr immer weniger Zeit widmete. Er sprach nicht mehr mit ihr über ihre Mutter, und die abendliche Zeremonie der Gutenachtgeschichten fand ein Ende.
    Dabei blieb es nicht. Das Bild der Mutter, das über dem Esstisch gehangen hatte, wanderte auf den Dachboden. In Catharinas kleines Zimmer, das sie wegen seiner Aussicht auf den sanft plätschernden Gewerbekanal so liebte, zogen die beiden Stiefbrüder Claudius und Johann, und sie musste auf eine alte Strohmatte im Wohnraum ausweichen.
    Als Nächstes wurde Catharina der Unterricht bei Othilia Molerin gestrichen. Die Molerin war eine Schulmeisterswitwe, die Bürgerskindern in einer so genannten Winkelschule Rechnen, Schreiben und Lesen beibrachte. Ihr Vater hatte beobachtet, wie neugierig Catharina war und wie leicht ihr das Lernen fiel. Offiziell waren die Winkelschulen vom Rat der Stadt verboten, da sich die Schulmeister der städtischen Lateinschule immer wieder über diese lästige Konkurrenz beschwerten. Aber im Grunde drückte der Magistrat beide Augen zu, war es doch allgemein bekannt, dass die meisten Kaufleute und Handwerker das Studium von Latein und Rhetorik für ihre Kinder als Zeitverschwendung betrachteten und inzwischen mit Nachdruck eine Deutsche Schule forderten. Selbstredend waren die städtischen Schulen nur für Knaben vorgesehen, den Mädchen blieb also ohnehin nur der Unterricht bei den heimlichen Schulmeistern oder den Klosterfrauen der Beginen.
    Catharina war völlig vor den Kopf geschlagen, als Hiltrud nur wenige Wochen nach ihrem Einzug eröffnete, für diesen Unfug, Mädchen zu unterrichten, sei ihr jeder Pfennig zu schade. Als sich Catharina von der dicken, gemütlichen Schulmeisterin verabschieden ging, konnte sie die Tränen nicht zurückhalten, und die Molerin schalt fürchterlich über die Borniertheit und Hartherzigkeit der Stiefmutter.
    Hiltrud kümmerte sich ansonsten nicht weiter um Catharina. Dabei konnte man nicht behaupten, dass sie boshaft zu ihr war, auch wenn ihr Catharina gegenüber weitaus öfter die Hand ausrutschte als bei ihren eigenen Söhnen. Vielmehr sorgte sie dafür, dass Catharina angemessen gekleidet war, und wenn sie die Werkstatt aufräumte oder Besorgungen erledigte, steckte sie ihr auch mal einen Kuchenrest als Belohnung zu. Nur manchmal, wenn Hiltrud mit den Söhnen zu ihrer Verwandtschaft nach Emmendingen fuhr, war es fast wie früher.
    Dann saß Catharina beim Vater in der Werkstatt, oder sie übten zusammen in der Küche Rechnen und Schreiben. Catharina schickte dann jedes Mal ein Stoßgebet zur Jungfrau Maria, damit das Wetter schlecht würde, denn dann kämen ihre Stiefmutter und die Stiefbrüder erst am nächsten Tag zurück.
    Überhaupt die Stiefbrüder! Sie machten sich im ganzen Haus breit, benutzten ihre Sachen, lungerten in Vaters Werkstatt herum. Wobei Claudius, der Dreizehnjährige, noch erträglich war: Er neckte sie ständig, wusste aber, wann der Zeitpunkt gekommen war, sie in Ruhe zu lassen.
    Johann hingegen, den Sechzehnjährigen mit seinem teigigen Gesicht und den großen Pratzen, fürchtete sie. Er war hochmütig. Er ließ sie bei jeder Gelegenheit spüren, dass er sie für ein dummes kleines Mädchen hielt. Und er beobachtete sie immerfort, schweigend und mit halb geschlossenen Augen. Wenn er in ihrer Nähe war, schauderte sie, doch hätte sie damals nicht genau sagen können, warum sie sich von ihm bedroht fühlte. Einmal hatte er ihr, grinsend und mit flackerndem Blick, auf ihre noch flache Brust gefasst, und sie bekam eine vage Ahnung, was hinter seinen ständigen Andeutungen stecken mochte.
    Sie ging ihm aus dem Weg, und so wurde es ihr zur Gewohnheit, morgens das Haus zu verlassen, um erst zur Abenddämmerung heimzukehren.

    Der Marsch von ihrem Elternhaus dauerte nach
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