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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Autoren: Astrid Fritz
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Kerzen und Öllampen spendeten rußende Kienspäne im Winter ihr spärliches Licht.
    So oft schon hatten die Winterstürme die Schindeln vom Dachstuhl gerissen, und gerade im obersten Stockwerk, wo Catharina ihre Kammer hatte, pfiff dann der Wind durch die Ritzen. Aber sie besaßen einen Aborterker! Wie ein dicker Käfer klebte er ganz oben an der Außenwand, mit einem Türchen zum Hausinneren. Die meisten Nachbarn hatten nur eine Grube im Hof. Im Sommer vermischte sich dann der Gestank der Fäkalien und der Küchenabfälle auf der Gasse mit dem der geschabten trocknenden Häute der Gerber. Als Catharina ihrer Tante einmal neidvoll gestand, wie viel schöner sie es bei ihr fand, lächelte Marthe: «Wir sind nur Pächter, während das Haus deines Vaters euer eigen Grund und Gut ist. Du wirst eines Tages froh darum sein.»
    Sonntags, nach dem Kirchgang, nahm ihr Vater sie bei der Hand, und sie machten sich gemeinsam auf den Weg nach Lehen. An den Wochentagen führte Catharina ihrem Vater den Haushalt und setzte sich anschließend zu ihm in die Werkstatt, um ihn beim Malen zu beobachten. Die schönsten Momente kamen, wenn ihr Vater Pinsel und Spachtel beiseite legte und ihr Geschichten erzählte. Darüber vergaßen sie manchmal sogar das Nachtessen, und nicht selten musste Hieronymus seine Tochter ins Bett tragen, wenn sie an seiner Schulter eingeschlafen war.
    Ihr Vater wusste über sämtliche Länder der Welt zu berichten. Lange Zeit hatte sie geglaubt, dass er all diese Länder bereist hatte, dabei war Hieronymus Stadellmen nie aus dem Breisgau herausgekommen. Am liebsten hörte Catharina von der Neuen Welt, wie die Spanier und Portugiesen auf diesen fremden Kontinent vorgedrungen waren, der durch einen unendlichen Ozean von ihrer Heimat getrennt war.
    «Die Menschen dort», berichtete er, «leben ganz anders als wir. Sie sind von dunkler Hautfarbe, und es scheint immer die Sonne, sodass sie keine Kleidung tragen müssen. Du darfst sie dir nicht als wilde Tiere vorstellen, vielmehr sind sie sanft und friedlich und sehr religiös, denn sie haben gleich mehrere Götter, die sie anbeten.» Dass es dort auch Völker gab, die ihren Göttern Menschenopfer brachten, bestürzte Catharina, und sie war froh, in ihrem ruhigen Städtchen geboren zu sein.
    Von ihrem Vater erfuhr sie auch, dass die Erde keine vom Ozean umspülte Scheibe sei, sondern rund. Schon vor vielen, vielen Jahren habe ein Nürnberger namens Behaim die Welt als eine Kugel nachgebildet, auf der er neben den Erdteilen Europa, Asien und Afrika auch die Neue Welt eingezeichnet hatte. Catharina hätte alles darum gegeben, solch eine Weltkugel einmal zu sehen.
    «Wie kommt es, dass die Menschen auf der unteren Seite der Kugel nicht herunterfallen? Und außerdem leben sie ja dann mit dem Kopf nach unten?»
    Hieronymus Stadellmen zögerte. «Es muss wohl daran liegen, dass der Erdball so riesig groß ist und die Menschen es gar nicht merken, dass sie auf der unteren Seite leben.» Aber so richtig befriedigt hatte diese Antwort Catharina nicht.
    Nach ihrem Dafürhalten hätte das Leben an der Seite ihres Vaters immer so weitergehen können. Doch von einem Tag auf den anderen änderte sich alles. Ihr Vater heiratete Hiltrud Gellert, und am Hochzeitstag zog diese Frau bei ihnen ein. Hiltrud war die Tochter eines Steinmetzmeisters und somit wohl eine gute Partie. Sie war früh Witwe geworden. Der alte Steinmetz hatte sie und ihre beiden Söhne noch eine gute Weile unterstützen können, aber dann wurde er zu alt, und die Zunftversammlung drängte ihn, seine Tochter noch einmal zu verheiraten.
    Ihr Vater hatte Catharina später erzählt, dass er lange Zeit geglaubt hatte, es sei Schicksal oder Vorbestimmung gewesen, weil er in jenen Wochen der jungen Witwe so häufig begegnet war. Doch habe der alte Steinmetz dahinter gesteckt, den Hieronymus von einem gemeinsamen Auftrag her kannte. Geschickt hatte er bis zum Hochzeitstag die Fäden in der Hand gehalten.
    Catharina war überzeugt davon, dass ihr Vater mit dieser Frau betrogen worden war. Vielleicht war Hiltrud keine schlechte Ehefrau, ihr gegenüber jedoch zeigte sie sich kalt und gleichgültig. Hiltrud kümmerte sich keinen Deut um sie, übersah mitunter einfach, dass sie eine Stieftochter hatte, sodass es vorkommen konnte, dass beim Morgenmahl für Catharina kein Gedeck vorgesehen war.
    Manchmal stritten Hiltrud und Hieronymus wegen Catharina.
    «Du tust so, als sei das Mädchen etwas Besonderes», hörte Catharina
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