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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helga Glaesener
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überziehen«, lächelte er. Sein Kuss war stachelig und voller Liebe. »Ist wirklich alles in Ordnung?«
    Wieder nickte sie.
    »Und du schenkst mir ein Enkelsöhnchen?«
    »Dein sechstes«, erinnerte sie ihn an den Nachwuchs ihrer Schwestern.
    »Aber das aus deinem Bauch wird mir das liebste sein.« Franz legte den Arm um sie, und sie betrachteten gemeinsam das Land, über das Marsilius herrschte. Der Krieg hatte das Wildenburger Territorium bisher verschont. In den Scheunen lagerte genügend Saatgut, um im Frühjahr die Felder zu bestellen, und in den Ställen wurde Vieh gemästet. Eigentlich ging es ihnen gut. Wer weiß, dachte Sophie, vielleicht wird Marsilius mir erlauben, wieder zu reiten, wenn das Kind erst geboren ist. Das wäre doch ein Trost.
    Franz begann leise zu lachen.
    Sie drehte den Kopf zu ihm. »Was ist denn?«
    »Denk dran, Mädchen: Wenn der Jäger ein Wild erlegen will, dann muss er einen Pfeil losschicken. Der Pfeil, den du im Köcher stecken hast, ist dein Mut. Und wenn du ihn lossendest, wenn du Mut hast, wird der Erfolg schon folgen.«
    In der folgenden Nacht litt Sophie unter Übelkeit. Sie dachte sich nichts dabei. Sie schwitzte, übergab sich und schob es auf die Schwangerschaft. Von dem Tee, den ihr eine der Mägde gebracht hatte, hatte sie nur einen Schluck getrunken, weil sie den intensiven Minzgeschmack nicht mochte. Achtlos schüttete sie den Rest des Trankes aus und gab den Becher in die Küche zurück.
    Als sie ihre Eltern verabschiedete, ging es ihr schon wieder besser.

   ater Ambrosius litt. Hinten in seiner Kniekehle saß ein Eitergeschwür, und da er es mit dem Gebet genau nahm – er betete zu jeder vollen Stunde, außer nachts zwischen Laudes und Komplet –, behinderte ihn die Beule sehr. Zitternd vor Kälte rollte er den Strumpf herab und band, während seine Decke immer wieder von den Schultern rutschte, einen Leinenstreifen, den er aus einem zerschlissenen Unterhemd geschnitten hatte, um das Geschwür. Er staunte, dass Gott gerade seine Kniekehle ausgesucht hatte, um ihn zu strafen, saß doch der Körperteil, mit dem er sündigte, an einem ganz anderen Platz. Aber wie jedermann wusste, waren die Wege des Herrn unergründlich.
    Die Sonne strahlte in seinen kleinen Garten, doch ohne Wärme zu verbreiten. Die zurechtgestutzten Äste im Gemüsebeet, an denen im Sommer die Stangenbohnen rankten, glitzerten von Raureif. Er spürte, wie das Holz der Bank, auf der er saß, seine Sutane durchfeuchtete. Sein Bett wäre ein bequemerer und vor allem wärmerer Ort für den Verbandswechsel gewesen, aber dort sündigte er, und deshalb suchte er es nur ungern auf. Selbst in den Nächten zitterte er oft auf dem Lehmboden seines ärmlichen Pfarrhauses, statt sich auf der Strohmatratze ein wenig Komfort zu verschaffen.
    Er seufzte. Der Herr hatte einen langen Atem mit ihm. Trotz seines schwachen Fleisches hatte er ihm eine auskömmliche Pfarrstelle verschafft, mit nicht mehr Hunger als üblich. Er hatte ihn vor den schwedischen Horden bewahrt, die große Teile des Reiches unsicher machten, und ebenso vor den Verteidigern des katholischen Glaubens, die nicht weniger Schrecken verbreiteten. Im Sommer hatte er sogar die Schneckenplage beseitigt, die den Salat in Gefahr brachte und nicht einmal vor den Aschebarrieren haltmachte, die Ambrosius um seine Beete errichtet hatte. Aber irgendwann würde die züchtigende Hand Gottes über ihn kommen – da gab er sich keinen Illusionen hin.
    Ungelenk knüpfte er einen Knoten, zog den Strumpf über den Verband und die Leinenhose über den Strumpf und erhob sich. Er wollte noch rüber zum Steinfelder Berg, um nach der alten Färber-Susanne zu sehen. Der Herr rief sie schon seit Tagen zu sich, nur dass sie leider nicht hörte. Die Sturheit, mit der das Weib sich ans Leben klammerte, nötigte Ambrosius zu Fußmärschen, die seinem Knie überhaupt nicht guttaten, doch er war zu pflichtbewusst, als dass er den Besuch hinausgeschoben hätte. Susanne sündigte mit jedem Wort, das über ihre gehässigen Lippen kam, und ihm war klar, dass ein Tod ohne die Segnung der Beichte sie umgehend ins Höllenfeuer befördern würde, und daran wollte er keine Schuld tragen, grauste es ihn doch selbst, sobald er an seine Stunde vor dem göttlichen Gericht dachte.
    Unter vielem Ächzen humpelte er zum Haus, um nach einem Stock zu suchen. Normalerweise war er gut zu Fuß, doch heute, mit der Eiterbeule in der Kniekehle, würde er den Hang am Hohlbach ohne Hilfe nicht
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