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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helga Glaesener
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irgendeines Weibes erinnert. Jedenfalls hatte er sie am Arm hochgerissen und gefragt, ob ihre Blutung ausgeblieben sei. Sie hatte ihm nicht antworten können, weil sie immer noch würgen musste. Dann war sie auf eine Bank gesunken und hatte gewartet, während er eine Hebamme holen ließ, die ihm angstvoll versicherte, dass sein Weib vermutlich schwanger sei. Die Frau hatte in seiner Anwesenheit eine Untersuchung durchführen müssen – die er fasziniert beäugte – und schließlich ihre Meinung wiederholt. Aber natürlich war es noch viel zu früh, um wirklich etwas Sicheres sagen zu können. Überzeugt wurde Marsilius wohl erst von Ediths wuterfülltem Schrei.
    Das Weib war totenblass geworden, und der unverhohlene Zorn, mit dem sie auf die Schwangere stierte, hatte Marsilius auflachen lassen. Er wünschte sich so sehr einen Nachfolger. Seine schlechte Laune verflog, und in seinem jungenhaften Gesicht malte sich reines Entzücken. Er hatte Sophie befohlen, sich wieder anzukleiden und sich in ihre Kammer zu begeben. Dann war er gegangen, um mit Dirk auf sein Glück anzustoßen.
    »Alles, was du jetzt tun musst, ist, deine Stellung zu festigen«, holte Ursula ihre Tochter aus der Erinnerung zurück. »Du bist die Mutter seines Kindes, das gibt dir die Macht, die du brauchst, um wirklich zur Herrin der Burg zu werden. In deinem Bauch wächst sein Glück. Pass nur auf – wenn du dich nicht gar zu ungeschickt anstellst, hat er seine Hure in wenigen Wochen davongejagt.«
    Sophie blickte zu der Tür, die in den Wohnturm führte. Über ihrer Kammer lag die Schlafkammer von Marsilius, und von dort waren es nur wenige Schritte zu dem Zimmer, in dem Edith wohnte. Sie hörte jede Nacht die Türen knarren, wenn Marsilius zu seiner Gespielin ging. Und wenn sie ehrlich war, dann war sie sogar froh darüber. Dass Marsilius seine Bedürfnisse nicht in ihrem Bett erfüllen wollte, war der einzige Vorteil, den Ediths Existenz bot. Mit Grauen dachte Sophie an ihre Hochzeitsnacht zurück – und verdrängte die Erinnerung sofort. Wenn sie diesen Bildern Raum gab, würde sie verrückt werden.
    »Auf jeden Fall darfst du nicht mehr auf ein Pferd«, dozierte Ursula, der es stets ein Dorn im Auge gewesen war, dass ihr Mann ihre Jüngste reiten und schießen gelehrt hatte – und zwar nicht in dem sittsamen Umfang, in dem es einer jungen Frau zukam, sondern mit sportlichem Ehrgeiz. Sophie ahnte, dass ihre Mutter vor allem ihr unweibliches Wesen für die Schwierigkeiten verantwortlich machte, die ihre Ehe überschatteten. Dass sie die dürre Gestalt eines Jungen besaß, konnte man leider nicht ändern. Auch die spitze Nase und das unweiblich harte Kinn gehörten zu den Prüfungen, die Gott ihr auferlegt hatte. Aber man hätte die körperlichen Mängel ja nicht dadurch hervorheben müssen, dass man das Mädchen wie einen Knaben großzog – bloß weil der ersehnte Stammhalter ausgeblieben war. Ursula hatte das hin und wieder angedeutet, aber sie war zu wohlerzogen gewesen, um ihren Mann ernsthaft zu kritisieren.
    »Hörst du mir überhaupt zu, Kind?«
    »Nicht reiten, ja. Marsilius lässt mich sowieso nicht.«
    »Dietrich hat die Nachricht von meiner Schwangerschaft in der Kirche verkünden lassen«, kicherte Christine. »Ich wusste gar nicht, wohin ich schauen sollte. O süße Jungfrau, es ist alles so aufregend.«
    Sophie lächelte ihr mechanisch zu. Christine war seit einem Jahr Witwe, aber das hatte ihre Stimmung nicht lange trüben können. Sie würde bald erneut heiraten und ein weiteres Kind bekommen und glücklich sein. Sophie war klar, dass sie sich über das Kind in ihrem eigenen Bauch ebenfalls freuen müsste. Doch statt aufgeregt auf den Tag zu warten, an dem sie es endlich im Arm hielt, dachte sie nur: Herrgott, nimm’s weg, ich will es nicht. Ihr war, als hätte Marsilius etwas in sie hineingestopft, das schmutzig war und … und sie von innen her auffraß. Konnte man das glauben – so eine schreckliche Vorstellung?
    Über sich selbst beschämt, zwang Sophie sich, auf ihren schlafenden Neffen zu schauen, der so niedlich war, dass keine Magd vorübergehen konnte, ohne ihn anzulächeln. »Wart nicht zu lange«, drang Ursulas Stimme an ihr Ohr. »Umschmeichle deinen Mann, koche ihm etwas Gutes, sei ihm gefällig – und dann verlange, dass er Edith fortjagt!«
    Sophie nickte.
    »Verstehst du mich?«
    »Ja.«
    »Gut. Dann würde ich nämlich vorschlagen, dass du sogleich damit beginnst!«
    »Womit?«, fragte Sophie
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