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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin
Autoren: Aufbau
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taufen. Er ist gesund und munter, er hat schon getrunken. Es geht ihm gut. Ich werde ihn nicht taufen.« Sie sah ihn streng an, nickte ihm zu, ging in den Flur undnahm das Kind aus Margarethas Armen. Dann stapfte sie die Treppe empor. Jeder ihrer Schritte auf der hölzernen Stiege schien durch das Haus zu hallen.
    Wenig später liefen die beiden Frauen durch das morgendliche Krefeld. Gretje hatte recht behalten, dicke Schneeflocken, weich wie Wollfasern, trieben im ersten Licht des Tages durch die Luft. Die Hähne hatten gekräht, die ersten Wagen fuhren durch die Stadt, und die Tore waren geöffnet worden. Die beiden Frauen, Mutter und Tochter, gingen schweigend nebeneinander her. Ihre Schritte waren schwerfällig und müde. Als sie das Haus in der Nähe des Obertors erreicht hatten, blieb Gretje stehen. Sie sah Margaretha an. Die Fältchen um ihre Augen, die wie Radspeichen um ihre Augen lagen, hatten sich vertieft. Sie lächelte schwach.
    »Du hast dich gut gehalten, mein Kind. War es arg schlimm?«
    »Am Anfang schon. Ich dachte, sie würde sterben. Was muss sie für Schmerzen gelitten haben!« Margaretha senkte den Kopf. Ihre Knie zitterten, und inzwischen waren ihre Füße, trotz der dicken Strümpfe, kalt.
    »Nicht mehr als andere auch, aber auch nicht weniger. Sie hat dagegen angekämpft und das war ihr Fehler. Wir haben ihr geholfen, richtig damit umzugehen. Du hast deine Sache gut gemacht, Meisje. Nun geh zu Bett und ruh dich ein paar Stunden aus. Später am Tag werden wir noch mal nach Thilda und dem kleinen Jakob sehen.« Gretje öffnete die Tür. Es war kalt im Hausflur. Das Feuer im Herd schien ganz heruntergebrannt zu sein. Seufzend stellte Gretje den Korb ab, stützte kurz die Hände in das Kreuz und bog die Schultern nach hinten.
    Margaretha schlich an ihr vorbei nach oben. Das Haus der op den Graeffs gehörte zu den älteren der Stadt. Margarethas Großvater hatte es gebaut. Durch Anbauten und Umbauten war es immer wieder verändert worden und wies nun einen sehr winkeligen Grundriss auf. Weil keines der Zimmer großgenug für einen Webstuhl war, hatte die Familie das Nachbarhaus gekauft, nachdem die Bewohner dem Fieber erlegen waren. Dort standen nun drei Webstühle, von der Küche blieb nur noch der Herd, außerdem nutzten sie die Gesindezimmer im oberen Stockwerk. Somit waren die Arbeit und auch die Arbeiter in das zweite Haus gepackt worden und die Familie in das andere.
    Margaretha teilte sich das Zimmer mit ihrer Schwester Eva, mit drei Jahren das Nesthäkchen der Familie. Das Kind kam zur Welt, als Gretje schon längst die fruchtbaren Zeiten hinter sich hatte liegen sehen. Der älteste Sohn der Familie war fast dreißig Jahre älter als die jüngste Tochter.
    Eva war ein besonderes Kind, ihr Gesicht mondförmig, die Augen glichen Mandeln, sie lachte beständig, war fröhlich und aufgeweckt, konnte jedoch nicht richtig sprechen und hatte Schwierigkeiten zu laufen. Die Familie liebte das Kind und hütete es wie den Augapfel. Margaretha schlich leise in das Zimmer, zog sich aus und kroch unter die inzwischen klammen Laken. Vereinzelte Schneeflocken malten Tupfen auf das kleine Fenster, die Sonne ging an einem diesigen Himmel auf. Irgendwo bellte ein Hund, und der Nachtwächter sang sein Abschiedslied. Margaretha schlief ein.

Kapitel 2
    Am nächsten Morgen hing die Sonne vor einem verhangenen Himmel. Die Luft war deutlich kälter, aber die vereinzelten Schneeflocken hatten sich aufgelöst. Margaretha schreckte hoch, als ein Fuhrwerk durch die Gasse kam, der Kutscher laut schimpfte. Sie rieb sich verwundert die Augen, noch nie hatte sie so lange geschlafen. Eva lag nicht in ihrem Bett. Margaretha stand auf, streckte sich, rief die Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück, das Schreien, die Qualen und dasBlut, aber auch den ersten Ton des Neugeborenen und das glückliche Lächeln der Mutter. Das gute Ende hatte alles andere vergessen lassen. Sie wusch sich flüchtig, das Wasser im Krug schien durch die Kälte schwerer zu sein. Dann zog sie sich frische Sachen an und ging nach unten. Es duftete köstlich nach Grütze. Ihre Mutter saß in der Küche und rupfte energisch ein Huhn. Sie hob den Kopf und lächelte ihre Tochter an. »Ausgeschlafen?« Zu ihren Füßen saß Eva und spielte mit den Federn.
    »Ich glaube, ich habe noch nie im Leben so lange geschlafen außer zu Neujahr.« Margaretha nahm sich eine Schüssel und füllte sie mit der Grütze, die in dem großen Topf über dem Herd
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