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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin
Autoren: Aufbau
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dahin. Woran das lag, konnte sie nicht erkennen. Bisher hatte sie die Erfahrung gemacht, dass es half, die Kranken reinlich zu halten und ihnen viel zu trinken zu geben. Doch bei Seuchen, anders als im Kindbett, traute sich kaum jemand an die Kranken heran. Zu ungewiss war, ob man sich nicht ansteckte.
    »Ihr müsst die Wäsche wechseln, die Kranken waschen«, sagte sie das ein ums andere Mal. Jedes Mal wurde sie harscher, klang ihre Stimme verzweifelter. Immer noch lag die Hitze wie eine Decke über der Stadt, hielt den Gestank der Abwässer und des Sumpfes unter sich gefangen. Am späten Nachmittag kehrte sie zu Pastorius’ Haus zurück. Sie hatte versucht, alle Kranken zu versorgen, den Angehörigen Tränke und Tinkturen, Kräuter für Umschläge dagelassen. Ihr Korb hatte sich mehr und mehr geleert.
    Nun war sie erschöpft.
    »Kommt«, sagte Pastorius sanft, als sie das Haus betrat. »Ich habe den Tisch decken und Essen auftragen lassen.«
    »Lieber Franz Daniel, das ist zauberhaft, aber ich möchte mich erst waschen und … ach …«
    »Ja?«
    »Ich würde gerne frische Kleidung anziehen, habe jedoch gar keine mitgenommen.« Sie senkte beschämt den Kopf. »Außerdem muss ich nach den kranken Frauen schauen.«
    »Die beiden haben gegessen. Ihnen geht es besser.«
    Erstaunt sah sie ihn an. »Woher wisst Ihr das?«
    »Ich habe ihnen Suppe gebracht und Wein.«
    »Ihr, Franz Daniel?«
    »Nun ja, Margret, Ihr geht mit so leuchtendem Beispiel voran, ohne Angst und mit Gottes Glauben. Es beeindrucktmich, wie sehr Ihr Nächstenliebe lebt. Wenn Ihr so furchtlos seid, wieso sollte ich mich dann ängstigen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ihr täuscht Euch, Franz Daniel. Ich trage große Furcht in mir. Doch ist die Hoffnung größer und auch die Not dieser leidenden Menschen. Kindern auf die Welt zu helfen ist eine schöne Aufgabe, auch wenn nicht jedes Kind überlebt und auch nicht jede Mutter. Aber Kranken zu helfen ist etwas anderes.« Sie schluckte. »Ich fühle mich dazu verpflichtet.« Zaghaft hob sie den Kopf, sah ihn an. »Ich kann es nicht erklären, aber mich dauert es, wenn andere leiden. Meine Aufgüsse, Tränke und Tinkturen bewirken nicht viel, doch manchmal helfen sie.«
    »Ihr opfert Euch auf.« Er sah sie an, biss sich auf die Lippen. »Ohne über Euer Wohl und Wehe nachzudenken.«
    Margaretha holte tief Luft. »Das klingt gut, so wie Ihr es sagt, aber es entspricht nicht der Wahrheit. Damit ehrt Ihr mich über Gebühr. Meine Angst ist groß, und ich mag mich auch nicht opfern. Aber ich möchte auch niemanden seinem Schicksal einfach so überlassen, wenn ich die Chance habe, sein Leiden wenigstens etwas zu mildern.«
    »Ja.« Pastorius nickte. »Ja, das macht Euch aus. Ich habe den Badezuber bereiten lassen. Auch frische Kleidung habe ich besorgt. Bitte, pflegt und erholt Euch, danach können wir speisen.«
    Überrascht schaute sie ihn an. In den letzten zwei Tagen war er reserviert gewesen, distanziert und voller Angst. Nun schien sich etwas verändert zu haben.
    »Danke.«
    Sie huschte hoch, sah nach den beiden kranken Frauen. Penns Köchin ging es sichtlich besser, sie hatte die Krise überstanden. Ruth schlief, sie war kühler, wirkte nicht mehr so krank. Doch Margaretha war sich nicht sicher, ob Ruth über dem Berg war.
    Im Moment konnte sie aber nichts mehr für die beiden tun. Sie lagen in frisch gemachten Betten, hatten zu essen undzu trinken, auch von dem Aufguss war noch etwas da. Margaretha ging zurück in die Küche, ließ neues Wasser aufkochen, setzte einen weiteren fiebersenkenden Trank an. Damit waren aber ihre Vorräte erschöpft. In Germantown, im Haus ihres Bruders, hatte sie noch Kräuter und Rinden, Pflanzen und Wurzeln. Auch würde sie schnell neue sammeln können, aber nicht hier, nicht in der Stadt. Morgen würde sie sich auf den Heimweg machen müssen.
    Sie seufzte und ließ sich in die Waschküche führen. Dort dampfte das Wasser in dem Badezuber, frische Kleidung und saubere Leinentücher lagen auf dem Schemel daneben. Das heiße Wasser war eine Wohltat, sie schloss die Augen, atmete den Dampf tief ein, genoss es. Danach rieb sie sich mit dem harten Leinen gründlich trocken, zog das Kleid an. Es war etwas zu groß, aber das störte sie nicht. Die Kleidung roch nach Seife und Sonne, ganz anders und viel frischer als die Krankenzimmer, die sie in den letzten Stunden besucht hatte.
    Pastorius wartete schon am Esstisch auf sie. Er hatte Rinderfleisch besorgt, Krabben und Krebse, die
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