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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin
Autoren: Aufbau
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hielt ihr das Licht der Kerze ins Gesicht. Das Mädchen war bleich.
    »Das wird nicht einfach, Meisje. Willst du lieber nach Hause gehen?«
    Margaretha überlegte, ein Schauer rann ihr über den Rücken, aber dann straffte sie die Schultern, biss sich in die Lippe. »Ich komme mit.«
    Für einen Augenblick prüfte die Mutter den Blick der Tochter, doch Margaretha hielt stand. Dann nickte Gretje. »Gut. Wenn du das schaffst, schaffst du alles andere auch. Komm.«
    Sie klopften an eine Tür, ein hohlwangiger Mann öffnete ihnen.
    »Mevrouw op den Graeff, dem Herrn sei Dank. Thilda stirbt, und ich bin schuld.« Er wischte sich die Tränen aus den Augen, hob ein Glas und trank einen großen Schluck, verschluckte sich und hustete. Er stank nach Branntwein. Angeekelt verzog Margaretha das Gesicht. Wieder hatte derSchrei seinen durchdringenden Höhepunkt erreicht und verebbte, jedoch nur kurz. Obwohl sie nun im Haus waren, erschien es Margaretha, als ob der Schrei nicht mehr ganz so laut gewesen war.
    »Wo ist sie?«, fragte Gretje und schob den Mann sachte beiseite. »Oben?«
    Er nickte stumm.
    »Gibt es oben einen Kamin?«
    »Nein.«
    »Wenigstens eine Kohlepfanne?«
    Van Holten sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Ne… nein«, stotterte er.
    »Dann besorgt eine, minn Jong. Und macht Euch keine Sorgen.« Sie tätschelte seinen Arm und ging an ihm vorbei. Margaretha folgte ihr, beeindruckt von der Ruhe, die ihre Mutter ausstrahlte. Im engen Hausflur roch es nach Kohl, nasser Wolle und saurer Milch. Rechts führte eine Tür in das größte Zimmer des schmalen Hauses, das so gebaut war wie viele Häuser der Stadt. Dort stand der Webstuhl und nahm den meisten Raum ein. Van Holten war Leinenweber. Der Kamin erwärmte den Raum, so dass die Weber auch im Winter trotz der Kälte die Schiffchen durch die Fäden ziehen konnten. An der Rückseite des Raumes lag die Wohnküche. Eine schmale und steile Stiege führte in das erste Stockwerk. Am Fuße der Treppe saß ein Mädchen, kaum älter als Margaretha. Sie hatte sich ganz zusammengekauert und hielt die Ohren mit den Händen bedeckt, wiegte sich leise jammernd hin und her.
    »Hemeltje, Gottegot, Hemeltje!«, sagte sie leise wieder und wieder.
    Gretje stupste sie an. »Bist du die Magd? Wie heißt du?«
    »Katrinchen. Gottegot.« Sie sah nach oben, verdrehte die Augen.
    »Der gute Gott und der allmächtige Herr werden uns helfen. Aber weder er noch der liebe Himmel kochen Wasser undbeschaffen sauberes Tuch, das ist deine Aufgabe. Erfüll sie. Aber vorher schütte die saure Milch weg, lüfte durch und schür dann das Feuer. Wir werden Kohlen brauchen.« Gretje lächelte zuversichtlich, dann stapfte sie die Stiege entschlossen nach oben. Wieder setzte die Frau im oberen Geschoss zu einem entsetzlichen Schrei an.
    Margaretha war flau im Magen. Sie drückte das Bündel sauberer Leinentücher, das ihr die Mutter zum Tragen gegeben hatte, gegen ihre Brust, dann fasste sie sich ein Herz und folgte ihr.
    Nur zwei Kerzen brannten in dem Schlafzimmer, in dem ein breites Bett stand, dessen dicke Vorhänge zugezogen waren. Die Wollblenden bewegten sich sacht in dem scharfen Luftzug. Bevor Gretje sie beiseitezog, sah sie sich um. Das Fenster ging zur Straße und klapperte unter den Windböen, die sich gegen das Haus zu werfen schienen. Das Gebälk ächzte, und die Dielen knarrten. Irgendwo rief ein Käuzchen.
    »Das Fenster ist nicht dicht. Geh nach unten und schau, ob dort Stroh oder Bast ist, damit wir es abdichten können.« Dann schob sie den Vorhang beiseite. Die junge Frau mit dem aufgeblähten Körper krallte sich in das Kissen. Ihr Gesicht war vor Schmerzen zu einer Fratze verzogen, trotz der Kälte lief ihr der Schweiß über die Haut. »Und bring auch frische Laken mit. Warmes Wasser. Eimer. Los!«
    Wie erstarrt schaute Margaretha auf die junge Frau, die sich hin und her warf, stöhnte und wimmerte. Natürlich wusste Margaretha, dass Schmerzen zur Geburt gehörten, und hatte auch schon so manche Frau in den Wehen schreien gehört. Doch das, was sie nun sah, überstieg ihre Vorstellung.
    »Nun, nun, nun, Meisje, es wird alles gut!«, beschwichtigte Gretje op den Graeff die junge Frau. Sie zog ihr das Nachthemd aus, warf es auf den Boden, legte ihr die Hand auf den nackten Bauch. Margaretha erschien es, als würde die über alle Maßen gespannte Haut gleich aufplatzen. Immer noch konnte sich das Mädchen nicht von dem Anblick lösen.
    »Spürst du meine Hand? Du musst hierhin
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