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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin
Autoren: Aufbau
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würde sie versorgen und die Strümpfe stopfen. Der Korb mit der Flickwäsche stand immer in der Stube. Sie gingen an dem Haus vorbei, in dem die Familie Scheuten wohnte. Hell leuchtete es durch die Fenster, doch Margaretha konnte niemanden sehen.
    »Was ist denn da so spannend, mein Kind?«, fragte Gretjeihre Tochter. Heiße Röte schoss Margaretha ins Gesicht, und sie senkte verschämt den Kopf.
    »Ich habe heute Nachmittag Jan Scheuten getroffen.«
    »Jan? Ist der nicht in Linn in der Lehre?«
    »Er war. Sein Lehrherr ist gestorben, und jetzt ist er zurück in der Stadt.«
    »Das wird seine Mutter sicher freuen. Nicht, dass der Lehrherr verstorben ist, sondern dass Jan zurück ist.« Gretje sah ihre Tochter verschmitzt an.
    »Ich freue mich auch, dass er wieder hier ist«, sagte Margaretha leise. »Er ist nett.«
    »Nett. So, so«, sagte die Mutter nachdenklich. Doch sie hatten das Haus der van Holtens erreicht, und nun waren andere Dinge wichtig. Gretje klopfte, die Magd öffnete ihnen. Katrinchen sah erschöpft, aber nicht mehr so verzweifelt aus wie in der letzten Nacht.
    »Mevrouw op den Graeff, Goedenavond!« Sie trat zurück, ließ die beiden eintreten.
    »Wie geht es Mevrouw van Holten?«
    »Sie ist noch schwach, hat heute viel geschlafen.«
    Gretje runzelte die Stirn. »Hat das Kind getrunken?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete die Magd leise. »Ich hatte alle Hände voll mit Mijnheer zu tun. Ihm ging es heute gar nicht gut.«
    Margaretha verkniff sich ein Lächeln. Ihre Mutter ging entschlossen zur Treppe, stieg diese empor. Margaretha folgte ihr. Im Treppenhaus zog es, aber es roch nicht mehr säuerlich. Aus der Küche kam Bratenduft. Dorthin verzog sich auch die Magd wieder.
    »Ist irgendetwas ungewöhnlich?«, fragte Margaretha.
    »Das weiß ich noch nicht. Thilda hat viel Blut verloren, sie ist geschwächt. Und trotzdem muss das Kind trinken. Wir hätten früher kommen sollen.« Gretje klang besorgt. Sie öffnete die Tür zu der kleinen Kammer. Hier war es angenehm warm. Sie konnten das leise Wimmern des Säuglings hören,der in der Wiege neben dem Bett lag. Gretje zog ihren Mantel aus, legte ihn achtlos auf einen Stuhl, der neben der Kommode stand. Margaretha folgte dem Beispiel der Mutter. Auf der Kommode standen ein Krug und eine Waschschüssel. Gretje wusch sich die Hände mit einem Stück Seife, dass sie mitgebracht hatte. Die Seife kochte sie selbst, fügte beim letzten Verarbeitungsschritt Kräuter hinzu. Oft waren es Zusätze wie Walnuss oder Dost, manchmal auch Hopfen oder Kamille. Sie reichte Margaretha die Seife, trocknete sich die Hände ab und nahm dann das Kind aus der Wiege. Margaretha wusch sich auch die Hände. Manchmal ekelte sie sich vor dem strengen Geruch der Seife, aber ihre Mutter bestand auf dem Ritual.
    »Shh, shh«, murmelte Gretje und legte das Kind Margaretha in den Arm.
    »Was soll ich mit ihm machen?«, fragte Margaretha.
    »Beruhige ihn ein wenig. Ich schau erst mal nach der Mutter.«
    Thilda van Holten schlief. Sie hatte anscheinend gar nicht mitbekommen, dass die Hebamme da war. Gretje berührte die junge Frau sanft an der Schulter. Nur mühsam schaffte Thilda es, die Augen zu öffnen.
    »Thilda?« Gretje legte ihr die Hand auf die Stirn, seufzte dann erleichtert. »Du hast kein Fieber, das ist gut. Wie geht es dir?«
    »Ich bin so müde«, antwortete die junge Frau leise.
    »Wann hast du dein Kind das letzte Mal gestillt?« Gretje schlug die Decke zurück. »Warst du schon deine Notdurft verrichten?«
    »Ich war einmal kurz auf, aber mir ist so schwindelig geworden.«
    »Und wann hast du das Kind angelegt?«
    Thilda runzelte die Stirn. »Das weiß ich gar nicht mehr.«
    »Wer hat es denn gewickelt?«
    »Gewickelt?«, fragte die junge Frau hilflos.
    »War deine Mutter heute hier? Deine Schwiegermutter?«
    »Ich glaube schon, aber ich bin mir gar nicht sicher.«
    Gretje seufzte wieder. »Hast du gegessen und getrunken?«
    »Nur ein wenig Brot und Wasser. Ich bin so müde.«
    »Margret, leg das Kind in die Wiege. Nimm die Kräuter und geh nach unten. Wir brauchen kochendes Wasser für einen Aufguss, warmes Wasser zum Waschen, Tücher, ein gutes Essen – etwas Kräftiges. Brühe ist auch gut. Und Wein, am besten Rotwein, der stärkt. Warmer Rotwein, nur warm, nicht kochend, mit einem frischen Ei verquirlt.«
    Margaretha legte das Kind in das Bettchen, das Wimmern des Kindes steigerte sich zu einem Schreien. Ihr Herz zog sich zusammen, aber nun war erstmal wichtiger,
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