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Die großen Vier

Die großen Vier

Titel: Die großen Vier
Autoren: Agatha Christie
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vielleicht auf eine falsche Fährte zu locken, dass das Verbrechen um vier Uhr geschehen ist?»
    «Nein, nein, mon ami, denke doch einmal scharf nach. Lass einmal deine kleinen grauen Zellen arbeiten. Stell dir vor, du wärest Mayerling. Du hörst vielleicht ein Geräusch – und weißt nur zu gut, dass dein Todesurteil bereits gesprochen ist. Du hast gerade noch so viel Zeit, um ein Zeichen zu hinterlassen. Vier Uhr, Hastings – Nummer vier – der Zerstörer. Ah, ich habe eine Idee!»
    Er rannte ins Nebenzimmer, ergriff den Hörer und verlangte Hanwell.
    «Ist dort die Heilanstalt, ja? Ich habe gehört, dass heute einer der dortigen Insassen entwichen ist. Was sagen Sie? Einen kleinen Moment bitte, wollen Sie das noch einmal wiederholen? Ah, parfaitement!»
    Er hängte den Hörer wieder auf und wandte sich mir zu.
    «Hast du gehört, Hastings? Es ist überhaupt niemand entwichen!»
    «Aber der Aufseher war doch hier?», bemerkte ich.
    «Ich frage mich…»
    «Meinst du etwa…?»
    «Ja, ganz recht, Nummer vier – der Zerstörer!»
    Ich starrte Poirot sprachlos vor Erstaunen an. Es dauerte geraume Zeit, ehe ich meine Sprache wieder fand.
    «Wir werden ihn auf jeden Fall wieder erkennen», bemerkte ich, «das dürfte nun einmal feststehen. Der Mann war eine ganz ausgeprägte Persönlichkeit.»
    «War er das wirklich, mon ami? Ich bin anderer Ansicht. Er war stämmig, von kräftigem Wuchs, hatte ein rötliches Gesicht, eine heisere Stimme und trug einen buschigen Schnurrbart. Die letzteren Kennzeichen wird er mittlerweile abgelegt haben und auch in Zukunft nicht mehr verwenden. Seine Augen waren farblos, seine Ohren sind unauffällig, dazu hatte er ein perfektes falsches Gebiss. Eine Identifizierung beim nächsten Mal ist also keine so leichte Aufgabe, wie du anzunehmen scheinst.»
    «Glaubst du denn, dass wir hierzu nochmals Gelegenheit haben werden?», fragte ich.
    Poirots Gesicht wurde sehr ernst.
    «Es wird ein Kampf auf Leben und Tod, mon ami. Du und ich auf der einen Seite, auf der anderen die Großen Vier. Die erste Runde haben sie gewonnen. Sie täuschen sich jedoch, wenn sie annehmen, mich beseitigen zu können, und in Zukunft werden sie mit Hercule Poirot zu rechnen haben!»

3
     
    N och zwei bis drei Tage nach Erscheinen des Mannes, der sich als Aufseher der Irrenanstalt ausgegeben hatte, hegte ich die geheime Hoffnung, er würde nochmals zurückkommen; ich wagte es deshalb nicht, die Wohnung auch nur für einen Moment zu verlassen. Soweit ich es beurteilen konnte, hatte er keinen Grund zu der Annahme, dass wir ihn durchschaut hatten. Ferner glaubte ich, dass er zurückkommen werde, um die Leiche abzuholen, jedoch Poirot war anderer Meinung.
    «Mon ami», sagte er, «wenn du es für richtig hältst, kannst du versuchen, diesen Vogel einzufangen, hingegen habe ich nicht die Absicht, meine Zeit mit Warten zu verlieren.»
    «Du magst vollkommen Recht haben, Poirot», entgegnete ich, «aber warum nahm er überhaupt das Risiko auf sich, in Erscheinung zu treten? Wenn er beabsichtigte, später den Toten abzuholen, so wäre sein Besuch begründet gewesen. Zumindest wäre er dann kaum verdächtig gewesen. Da er jedoch bis jetzt nicht wiedergekommen ist, scheint mir sein Erscheinen völlig nutzlos gewesen zu sein.»
    Poirot antwortete mit seinem typischen Achselzucken. «Du siehst eben die Angelegenheit nicht vom Standpunkt von Nummer vier, lieber Hastings. Du sprichst von Verdacht, aber welchen Verdacht hegen wir eigentlich gegen ihn? Allerdings, wir haben einen Toten, aber wir haben noch lange nicht den Beweis, dass er tatsächlich ermordet wurde – Blausäure hinterlässt beim Einatmen keinerlei Spuren. Außerdem können wir keinen Zeugen vorbringen, der bestätigen kann, dass jemand unsere Wohnung während unserer Abwesenheit betreten hat. Wir haben auch noch nichts bezüglich der Vergangenheit unseres verstorbenen Freundes Mayerling in Erfahrung gebracht. Nein, Hastings, Nummer vier hat keinerlei Spuren hinterlassen, und das weiß er genau. Sein Besuch dürfte rein informatorischer Art gewesen sein. Vielleicht wollte er sich überzeugen, dass Mayerling tatsächlich tot war, jedoch viel wahrscheinlicher ist die Annahme, dass er gekommen ist, um Hercule Poirot zu sehen und mit dem einzigen Widersacher zu sprechen, den zu fürchten er allen Grund hat.»
    Poirots Ausführungen erschienen mir ziemlich überheblich, jedoch hielt ich es für richtiger, nichts zu erwidern.
    «Und wie gedenkst du dich bei der
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