Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
Vom Netzwerk:
Dollar, wenn ich mich recht entsinne. Zu einem solchen Preis ist die Patrologia nur für große Bibliotheken erschwinglich, nicht aber für den armen kleinen Forscher (auch wenn unter Mediävisten munter Raubkopien angefertigt wurden). Heutzutage bekommt man mit einem einfachen Abonnement Zugang zur Online-Version der Patrologia . Das Gleiche gilt für die Encyclopédie von Diderot, die einst von der Redaktion des Robert auf CD-ROM angeboten wurde. Heute finde ich sie online, umsonst.
     
    J.-C. C.: Als die DVDs auftauchten, glaubten wir, endlich die ideale Lösung gefunden zu haben, die all unsere Probleme der Lagerung und der Vorführung in Lehrveranstaltungen ein für allemal beheben würde. Ich hatte mir bis dahin nie eine eigene Videothek angelegt. Mit der DVD, sagte ich mir, habe ich nun endlich einen »dauerhaften Datenträger« zur Verfügung. Aber weit gefehlt. Jetzt stellt man uns diese Mini-Discs in Aussicht, die die Anschaffung neuer Lesegeräte erforderlich machen und wie die E-Books eine beträchtliche Anzahl von Filmen speichern können. Unsere gute alte DVD wird also auch in der Versenkung verschwinden, es sei denn, man bewahrt die alten Geräte auf, mit denen man sie ansehen kann.
    Das ist im Übrigen ein Trend unserer Zeit: All das zu sammeln, was der technische Fortschritt ausgemustert hat.Ein Freund von mir, ein belgischer Filmemacher, hat achtzehn PCs im Keller stehen, ganz einfach, um sich ältere Arbeiten anschauen zu können. Damit will ich nur sagen, dass es nichts Vergänglicheres gibt als dauerhafte Datenträger. Über diese ständig gleichen, nun schon gebetsmühlenhaft wiederholten Überlegungen zur Flüchtigkeit der zeitgenössischen Datenträger können zwei Liebhaber von Inkunabeln wie Sie und ich doch nur milde lächeln, nicht wahr? Ich habe aus meiner Bibliothek dieses Büchlein hier mitgebracht, das Ende des 15. Jahrhunderts in Paris gedruckt wurde, auf Latein. Schauen Sie. Wenn man diese Inkunabel aufschlägt, liest man auf der letzten Seite auf Französisch: »Ces présentes heures à l’usaige de Rome furent achevées le vingt-septième jour de septembre l’an mille quatre cent quatre-vingt-dix-huit pour Jean Poitevin, libraire, demeurant à Paris en la rue Neuve-Notre-Dame.« (Das vorliegende Stundenbuch für den römischen Gebrauch wurde am siebenundzwanzigsten Tag des September im Jahr tausendvierhundertachtundneunzig fertiggestellt, für Jean Poitevin, Buchhändler, mit Sitz in Paris in der Rue Neuve-Notre-Dame.) »Usage« wird hier »usaige« geschrieben, die Art der Jahreszahlangabe hat sich geändert, und doch kann man alles noch recht leicht entziffern. Wir können diesen Text, der vor fünfhundert Jahren geschrieben wurde, also heute noch lesen. Aber eine Videokassette oder eine CD-ROM, die gerade einmal ein paar Jahre alt ist, können wir nicht mehr lesen oder ansehen. Außer wir bewahren unsere alten PCs im Keller auf.
     
    J.-P. DE T.: Man muss die Geschwindigkeit hervorheben, mit der diese neuen Datenträger veralten, wodurch sie uns dazu verdammen, sämtliche Arbeitsmethoden und Arten der Speicherung, unsere ganze Denkweise zu verändern …
     
    U. E.: Eine Beschleunigung, die zur Auslöschung des Gedächtnisses beiträgt. Das ist zweifellos eines der heikelsten Probleme unserer Zivilisation. Auf der einen Seite erfinden wir viele Geräte zum Speichern der Erinnerung, alle möglichen Formen der Aufzeichnung, Möglichkeiten des Wissenstransfers – das ist zweifellos ein beträchtlicher Vorteil im Vergleich zu den Zeiten, da man auf Mnemotechniken, auf Gedächtnistraining zurückgreifen musste, weil man einfach nicht alles, was man wissen musste, ständig zur Verfügung haben konnte. Damals konnten die Menschen sich nur auf ihr Gedächtnis verlassen. Auf der anderen Seite müssen wir zugeben, dass wir, unabhängig von der vergänglichen Natur dieser neuen Instrumente, die ein echtes Problem ist, mit den kulturellen Produkten, die wir hervorbringen, nicht eben sorgsam umgehen. Um nur ein weiteres Beispiel zu nennen: Die Originale der großen Comics: Sie sind schrecklich teuer, da sehr selten (eine Seite von Alex Raymond kostet heutzutage ein Vermögen). Und warum sind sie so selten? Ganz einfach, weil die Zeitungen, in denen sie erschienen, die Druckplatten nach dem Gebrauch wegwarfen.
     
    J.-P. DE T.: Welche mnemotechnischen Verfahren waren denn vor der Erfindung dieser künstlichen Gedächtnisspeicher, der Bücher und Discs, in Gebrauch?
     
    J.-C. C.: Wieder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher