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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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mussteden Fluss auf einer mit rostigen Trossen verankerten Bohlenbrücke überqueren und fünf Meilen weit auf einer schlechten Straße durch dichtes Gehölz fahren, um hinzugelangen. Bei Nacht flackerten allerlei Irrlichter am Himmel. Obwohl das Haus zwischen Klippen und Bergkämmen lag, spiegelte sich der Widerschein von Missoula, vielleicht auch von den Bars in der kleinen Arbeiterstadt Bonner oder von den Städten an der Küste in den Wolken. Aber als ich von meinem Bett aus durch das Fliegendrahtfenster hinaufblickte, meinte ich ferne Orte kopfüber am Himmel zu sehen.
    Doc sagte, in Montana wimmelte es nur so von Geistern. Den Geistern der am Marias River niedergemetzelten Indianer, der Fuhrleute, die auf dem Weg nach Oregon an Cholera und Typhus gestorben waren, und den rastlosen Seelen von Custer und den Soldaten des 7. Kavallerieregiments, deren Leichen mit Steinmessern zerstückelt und an den Ufern des Flusses liegen gelassen worden waren, den die Sioux und die Northern Cheyenne Greasy Grass nannten.
    Aber ich musste nicht in eine andere Gegend, um Gespenster zu sehen.
    Als der Sheriff des Missoula County die Faxausdrucke gelesen hatte, hatten seine Augen an einer ganz bestimmten Stelle aufgeleuchtet, ohne dass er darauf eingegangen war.
    Vor vielen Jahren hatte ich bei einem unbefugten nächtlichen Ritt nach Coahuila versehentlich den besten Freund erschossen, den ich je hatte.
    Jetzt begleitete mich der Geist meines toten Freundes auf Schritt und Tritt. L. Q. Navarro war hager, hatte einen Schnurrbart, ledrige Haut und funkelnde schwarze Augen, und er trug die Kleidung, in der er gestorben war, einen Nadelstreifenanzug mit Weste und ein leuchtend weißes Hemd, einen aschgrauen Stetson mit Schweißflecken um die Kroneund staubige Stiefel mit mexikanischen Radsporen, die beim Laufen wie kleine Glöckchen klirrten.
    Ich sah ihn abends inmitten der Mesquitesträucher, in denen die Glühwürmchen schwirrten, aber auch am Sonntagmorgen, wenn er in einem einfallenden Sonnenstrahl auf einem Verschlag in meiner Scheune saß, während ich meinem Morgan das Zaumzeug anlegte, um zur Messe zu reiten, und manchmal schaute er mir auch beiläufig über die Schultern, wenn ich in dem milchig grünen Fluss hinten auf meinem Grundstück die Angel auswarf. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit versicherte er mir, dass mich keine Schuld an der roten Wunde hoch oben an seiner Brust träfe.
    So war L. Q. Sein Mut, die Gelassenheit, mit der er sein Schicksal akzeptierte, sich weigerte, jemandem irgendetwas vorzuwerfen, setzten mir zu – sie wurden zu dem roh zurechtgehauenen Kreuz samt der Nägel, die mich jede Nacht im Schlaf erwarteten.
    Wenn ein Unheil über einen hereinbricht, das einen bis ins Mark trifft, so zersetzend ist, dass man irgendwann bereit ist, sich ohne Betäubung einer Operation zu unterziehen, um es loszuwerden, blickt man zwangsläufig zurück und versucht festzustellen, wo man sich vertan hat und wann die Würfel falsch gefallen sind. Es muss einen bestimmten Moment gegeben haben, an dem alles den Bach runtergegangen ist, sagt man sich. Deutliche Himmelszeichen vielleicht, die man nicht beachtet hat.
    Nein, man hat einfach die falsche Autobahnausfahrt erwischt und ist in einer Gegend gelandet, in der anscheinend keine Menschenseele unterwegs ist, wo nur die Natriumdampflampen scheinen. Hat vielleicht voller Vertrauen eine Urkunde unterzeichnet, die einem ein leutseliger, kahlköpfigerMann gereicht hat, oder die Tür geöffnet, weil man jemanden, der in einen Unfall verwickelt wurde, ans Telefon lassen wollte.
    Doc lud mich zu einem Treffen mit einer Freundin in einem Restaurant in der kleinen, nebelverhangenen Holzfällerstadt Lincoln ein, die am Rogers Pass, hoch oben in den Bergen lag. Ich parkte meinen Pick-up, ging an einem Dutzend gechopperter Harleys vorbei in das warme, angenehm hell erleuchtete Restaurant und sah Doc mit einer großen Frau, die ihre dunklen Haare unter eine Baseballkappe gesteckt hatte, in einer Nische sitzen.
    Ein leerer Bierkrug stand auf dem Tisch zwischen ihnen. Docs Hals war rot angelaufen, seine Augen glänzten unnatürlich.
    »Das ist Cleo Lonnigan. Sie praktiziert als Armenärztin im Reservat«, sagte Doc.
    »Das heißt, dass ich zeitweise in der kostenlosen Klinik arbeite«, sagte die Frau. Sie hatte dunkle Wimpern, braune Augen und ein Muttermal am Kinn. Mit ihren straffen Schultern, der Hose und der beigen Seidenbluse, die im Licht die Farbe veränderte, erinnerte sie
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