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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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er die alten, von der Sonne beschienenen Skiwanderwege hinabglitt, die sich kreuz und quer durch das Gehölz oberhalb ihrer Grabstätte zogen. Schließlich kaufte er sich ein Blockhaus am Blackfoot River. Er sagte, es wäre nurein Feriendomizil, aber ich ging davon aus, dass Doc sich allmählich von uns absetzte. Vielleicht findet er endlich seinen Frieden, sagte ich mir.
    Im vergangenen Juni lud er mich dann auf unbegrenzte Zeit zu sich ein. Ich überließ meine Kanzlei für drei Monate einem Vertreter, fuhr mit Angeltasche und Fliegenrute gen Norden und gab mich der törichten Hoffnung hin, die Geister, die mich heimsuchten, ließen sich irgendwie an den Staatsgrenzen abschütteln.
    Angeblich stammt das Wort »Missoula« aus der Sprache der Salish-Indianer und bedeutet »Begegnung der Flüsse«. Die Gegend wurde so genannt, weil dort sowohl der Bitterroot wie auch der Blackfoot in den Clark Fork strömen, einen der Quellflüsse des Columbia.
    Die bewaldeten Höhenzüge über dem Blackfoot River, wo Doc sich sein Haus gekauft hatte, waren morgens um sieben noch dunkel, und der Mond hing wie ein abgesplittertes Stück Eis über der Felsenschlucht, deren Wände steil zu einem mit Ponderosakiefern bewachsenen Plateau aufstiegen. Der Fluss schimmerte metallisch schwarz, und brodelnder Dampf stieg aus den Stromschnellen und von den Felsen, um die das Wasser strudelte.
    Ich nahm meine Fliegenrute, den Kescher und die Angeltasche aus Segeltuch von der Veranda von Docs Haus und ging den Pfad hinunter zum Flussufer. Die Luft roch nach kaltem Wasser und dem Humus weiter hinten in den dunklen Wäldern, nach Reh- und Hirschlosung, die auf den Kiesbänken im Fluss getrocknet war. Ich sah Doc Voss, den Oberkörper nur mit einer Fliegenweste bekleidet, unter der die dicken Sehnenstränge an seinen Schultern hervortraten, an einem mit Treibholz geschürten Feuer kauern, die Augen im Rauch zusammengekniffen,und mit einer Gabel Schinkenstreifen in einer Bratpfanne wenden. Die Sonne brach durch die Bäume auf dem Bergkamm und tauchte die Wiesen, Wälder und Klippen rundum in ein rosiges Licht, sodass wir unwillkürlich zu dem weiten Himmel von Montana aufblickten, als hätte man uns zu Unrecht die Sterne gestohlen.
    Doc reichte mir einen Blechteller mit Eiern, Schinken und Brotkanten, die er auf einem Fels geschnitten und im Schinkenfett gebräunt hatte. Er setzte sich auf eine weiche, mit Gras bewachsene Stelle neben mir, lehnte sich an einen Felsblock, trank einen Schluck Kaffee aus einer zusammenschiebbaren Edelstahltasse und betrachtete seine Tochter, die ohne Watstiefel, als ob ihr die Kälte nichts ausmachte, bis zu den Oberschenkeln im Fluss stand und an einer tiefen Stelle, wo sich das Wasser strudelnd hinter einem verfaulten Seidenholzbaum staute, ihre Angel auswarf. Er holte einen kleinen Salz- und Pfefferstreuer aus seinem Rucksack, zog dann einen .44er Magnum heraus, einen Revolver mit Kirschholzgriffschalen, um die der breite Gurt mit der schweren, viereckigen Messingschnalle und den in den Lederschlaufen steckenden Patronen gewickelt war, und legte ihn auf einen Farnstrauch.
    »Eine schöne Waffe«, sagte ich.
    »Danke«, erwiderte er.
    »Willst du die Forellen erschießen, die nicht in deine Tasche springen?«, sagte ich.
    »Bei Nacht kommen Pumas durch den Wald runter. Sie machen sich über die Futternäpfe für die Katzen her und dergleichen mehr.«
    »Es ist nicht Nacht.«
    Er grinste vor sich hin und schaute zu seiner Tochter. Sie ging in die vorletzte Klasse der Highschool, hatte blonde, im Nacken kurz gestutzte Haare, und ihr Baumwollhemd spanntesich um die Taille, als sie die Rute über den Kopf hob, die tropfende Schnur anlupfte, einen Rollwurf ansetzte und die Trockenfliege in einer weiten Acht über das Wasser zog.
    Doc fasste sich mit dem Daumen an die Kinnlade, als hätte er einen eingeklemmten Weisheitszahn.
    »Worüber denkst du nach?«, fragte ich.
    »Ich?«
    »Nein. Der Fels, an dem du lehnst.«
    »Das Land geht vor die Hunde«, sagte er.
    »Das sagen die Leute schon seit zweihundert Jahren.«
    »Du bist elf Stunden hier und hast schon alles durchschaut. Ich wünschte, ich wäre auch so schlau«, sagte er.
    Er ließ sein Essen stehen und ging mit seiner Fliegenrute flussaufwärts, die Schultern vorgebeugt wie ein uralter Jäger, während seine langen, aschblonden Haare im Wind wehten.
    Eine Viertelstunde später folgte ich seiner Tochter hinauf zum Blockhaus, an dem mit Rosen bepflanzte Blumenkästen und
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