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Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)

Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Glut des Bösen: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Anette Huesmann
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fort.
    »Welche Schule war das?«, fragte Grieser. Er öffnete das Notizbuch und zog einen schwarz gemusterten Stift aus seiner Halterung.
    »Die Internatsschule des Benediktinerklosters Altdorf bei Heidelberg«, sagte Schwester Lioba. »Wir haben dort Abitur gemacht. Später haben wir lose Kontakt gehalten. Miriam war ein paarmal hier und hat mich besucht.«
    Grieser sah von seinem Notizbuch auf.
    »Wann war sie das letzte Mal da?«, fragte er.
    »Gestern«, sagte Schwester Lioba und hielt inne.
    Nach dem Geheiß deines Wortes / Ertöne ich wie eine Zither. / Nur was von dir stammt, o Gott, / berühre, mag und erstrebe ich. / Denn von dir bin ich ausgegangen, / bin erwachsen aus dir / und will keinen anderen Gott. / Dir gehorchen, das gibt mir Halt.
    Das Gebet Hildegards von Bingen hatte ihr schon oft Trost gegeben. Es war albern, aber sie fand, es entsprachnicht der Würde ihres neuen Amtes, wenn sie gleich beim ersten Besucher in Tränen ausbrach.
    Schwester Lioba atmete tief durch. Sie roch die Osterglocken, die Schwester Beatrix gestern Abend auf ihren Schreibtisch gestellt hatte, und den abgestandenen Kaffee, den sie vorhin nicht hatte anrühren können.
    »Ich wurde gestern Morgen bei einem Gottesdienst zur Äbtissin geweiht«, begann sie. »Zu einer solchen Feier können wir Freunde und Verwandte einladen. Ich habe einige ehemalige Schulkameraden hergebeten. Und zu ihnen gehörte auch Miriam.«
    »Sie blieb über Nacht?«, fragte Grieser.
    »Sie kam am Freitagnachmittag, da die Feier gestern Morgen recht früh anfing.« Schwester Lioba hielt einen Moment inne, bis sie weitersprechen konnte. »Eigentlich hatte sie in unserem Gästehaus noch bis heute bleiben wollen. Aber dann ist sie doch schon gestern abgereist.«
    »Sie ist gestern überraschend abgereist?«, fragte er und musterte sie eindringlich. »Wissen Sie, warum?«
    »Nein, das weiß ich nicht«, sagte Schwester Lioba. Der Kommissar starrte ihr unverwandt ins Gesicht. Sie kämpfte gegen den Impuls aufzustehen.
    »Es waren noch andere Gäste von Ihnen im Gästehaus, hat mir Schwester Beatrix erzählt«, sagte er.
    »Ja, das stimmt«, erwiderte Schwester Lioba bedächtig. Ihr Herz pochte, am liebsten hätte sie sich die Augen gerieben. Doch sie hielt sich weiterhin aufrecht und ließ beide Hände gefaltet vor sich auf dem Schreibtisch liegen.
    »Ich sagte ja bereits, dass ich einige Schulkameraden von früher eingeladen habe. Wir kennen uns von der Internatsschule. Miriam gehörte auch dazu. Im Gästehaus sind derzeit noch Josef Windisch, Markus Hertl und Thomas Kern untergebracht, alle drei sind auch ehemalige Schulkameraden.Zu Markus Hertl und Thomas Kern hatte ich viele Jahre keinen Kontakt mehr. Miriam hat mich, wie ich schon sagte, einige Male besucht, und mit Josef Windisch unterhalte ich seit Jahren einen losen Briefkontakt.«
    Grieser achtete nicht mehr auf ihre Worte. Ein Geräusch aus seiner Jackentasche hatte ihn veranlasst, sein Handy herauszunehmen und ein Gespräch entgegenzunehmen.
    Schwester Lioba zog verärgert die Augenbrauen zusammen. Sie mochte diese moderne Form der Respektlosigkeit nicht. Doch sie war froh, eine Pause zu haben.
    Griesers Stirn hatte sich in breite Querfalten gelegt, als er das Handy in sein Jackett zurückschob.
    »Entschuldigen Sie mich bitte, Mutter Oberin«, sagte er zerstreut und erhob sich. »Meine Leute brauchen mich.«
    Zögernd blieb er neben ihrem Schreibtisch stehen.
    »Eine Frage habe ich noch«, sagte er nachdenklich.
    Schwester Lioba blickte zu ihm hoch.
    »Ja?«, sagte sie abwehrend. Sie hörte hinter ihrem Rücken Motorengeräusch und das Knirschen des Schotters im Hof. Fahrzeugen war es verboten, bis in den Klosterhof zu fahren, es musste also eines der Einsatzfahrzeuge der Polizei sein.
    »Eine Tätowierung in der Form eines Eselskopfes, sagt Ihnen das was?« Grieser blickte an ihr vorbei nach draußen.
    Hinter ihren Augen klopfte es. Die Mahnung ihres alten Lehrers schien alle anderen Gedanken zu ersticken.
Beim Verkehr mit Frauen sind sie ohne Maß und verhalten sich wie die Esel.
    Schwester Lioba spürte, dass sie ihre Mimik nicht mehr unter Kontrolle hatte. Ganz allmählich senkte sie den Kopf, so dass der Schatten ihres Schleiers sich über ihr Gesicht legte. Sie spürte, wie seine Aufmerksamkeit wieder zu ihr zurückkehrte. Der Kommissar wartete noch auf eine Antwort. Sie war froh, dass er ihre Augen nicht sehen konnte.Was für ein Segen, dass ihre Novizenmeisterin so großen Wert auf Haltung
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