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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin
Autoren: Eric Walz
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Seneschalls Gerold. Zugleich war Hugo ein hoher Offizier in der königlichen Leibwache.
    Sein Gesicht war totenbleich, im wahrsten Sinne des Wortes. Es sah wie die Maske des Teufels bei einem Mysterienspiel aus: entsetzlich verzerrt, graue Lippen... Ich wandte mich ab.
    Der König suchte Hugos Körper nach der Wunde ab, fand jedoch keine. »Seltsam«, flüsterte er zu sich selbst, denn er hatte mich völlig vergessen. »Der Körper ist noch warm, aber das Gesicht ist schon erbleicht. Wie ist das möglich?« Dann schlug er Hugos Mantelkragen zurück, legte die Kehle frei - und bekreuzigte sich. »Durchgeschnitten.«
    Vorsichtig wandte ich mich dem Leichnam noch einmal zu und trat einen Schritt näher, weil das Unbekannte seit jeher eine große Anziehungskraft auf die Menschen ausübt, auch wenn es nur Schlechtes bedeutet. Ich warf nur einen kurzen Blick auf den Toten, bevor sich alle meine Empfindungen gegen das Grauen sträubten und ich mich erneut abwandte. Durch die heftige Bewegung erinnerte der König sich meiner.
    Â»Gräfin. Bitte schickt Euren Gemahl hierher.«
    Â»Meinen Gemahl?« Ich muss arg konfus ausgesehen haben, also so, wie ich mich fühlte. Der Anblick eines Menschen, dem man die Kehle durchschnitten hatte, hatte mich schwindlig gemacht.
    Â»Ja«, sagte Karl überdeutlich, »aber wenn Euch nicht wohl ist...«
    Â»Nein, nein, Euer Gnaden, es geht schon. Ich werde also... meinen Gemahl schicken.««
    Â»Das wäre sehr freundlich.«

    Â 
    Die Bitte des Königs war absolut verständlich. Arnulf war der Graf der Pfalz Aachen und somit der hiesige Vertreter königlicher Gewalt und Gerichtsbarkeit.
    Der König konnte nicht ahnen, was er mit seiner Bitte anrichtete. Es war ihm darum gegangen, mich, den Gesetzen der Schicklichkeit entsprechend, auf gewandte Weise vom Schauplatz des Grauens zu entfernen und zugleich, den Gesetzen der Gerichtsbarkeit entsprechend, Arnulf schnellstmöglich an den Schauplatz des Grauens zu holen. Tatsächlich schickte er mich in die Liebeskammer meines Gemahls und der Konkubine.

4
    WIEDER STAND ICH vor der Tür, hinter der nun nicht mehr gelacht wurde. Hörte ich irgendetwas? Ich strengte mich an, doch da war nichts zu hören. Kein lustvolles Stöhnen.
    Meine Hand ballte sich - der anerzogenen Pflicht gemäß - zur Faust und schickte sich an anzuklopfen. Mein Wille verhinderte es.
    Ich wollte sehen. Einmal wollte ich es mit eigenen Augen sehen, es mir nicht nur vorstellen, es nicht in Albträumen träumen.
    Ich fasste den Knauf.
    Diese Stille... Beinahe wie die Stille von vorhin draußen im Schnee, kurz vor dem Stolpern.
    Womöglich, so dachte ich, waren Arnulf und sie auseinandergegangen, und er schlief friedlich und allein. Oder sie schliefen nebeneinander.
    Ich trat langsam ein. Ich spürte zunächst die Wärme. Im übrigen Haus war es bitterkalt, da die dünnen Tierhäute, die in den Fenstern aufgespannt waren, zwar den Wind, nicht jedoch den eisigen Frost eines Dezembertages fernhalten konnten. Und die Kohlefeuer wärmten nur, wenn man direkt vor ihnen saß.
    Der Grund für die angenehme, ungewöhnliche Wärme in Arnulfs Gemach war schnell gefunden, denn es brannten rund zwanzig Öllampen im Raum verteilt, auf den Truhen, dem Tisch, dem Boden.

    Dort waren Arnulf und sie, zwischen Öllampen auf dem Boden, auf einem Fell. Was sie taten, taten sie stumm. Das Geräusch ihrer sich aneinander reibenden Körper war das Einzige, das sie von sich gaben, so als hüteten sie das Geheimnis ihres Zusammenseins.
    Sie bemerkten mich nicht. Da war ich also. Sah sie in vollem Licht. Sah die körperliche Liebe, die sie seit drei Jahren verband und der bereits ein Kind entsprungen war.
    Mir wurde schlecht. So leise und rasch wie möglich schloss ich die Tür, eilte in mein Gemach und übergab mich in die Wasserschale neben meinem Bett.
    Â»Das hat sein müssen«, flüsterte ich.
    Â 
    Kurz darauf kehrte ich zum dritten und letzten Mal in dieser seltsamen Nacht zu der Tür zurück, dieses Mal hochoffiziell. Ich klopfte an. Drinnen ein Rascheln, dann leise Stimmen. Ich klopfte erneut. Sie berieten sich.
    Â»Arnulf«, rief ich. »Bitte öffne. Es ist wichtig.«
    Arnulf hätte bei dieser dringenden Bitte kaum etwas anderes tun können, als die Tür zu öffnen, trotzdem fühlte ich eine gewisse Genugtuung darüber. Als seine
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