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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin
Autoren: Eric Walz
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einmal angezogen von ihren Spiegelbildern, in denen sie Gott weiß was zu erkennen glauben.
    Ich verließ die Kammer einer Glücklichen und wandte mich jener von zwei weiteren Glücklichen zu. Hinter einer Zwischentür, der sich ein kurzer Gang anschloss, lag die Kammer meines Gemahls. Bisher war die Zwischentür für mich tabu gewesen; sie bildete die unausgesprochene und daher umso bedeutendere Grenze zu einem Reich, das auch meines hätte sein sollen, tatsächlich aber einer anderen
Frau gehörte. Dort war ich eine widerrechtlich zurückgekehrte Exilantin.
    Das Gelächter, das ich vernahm, als ich mein Ohr an die Kammertür drückte, kam mir wie die unmittelbare Bestrafung einer Sünde vor. Nicht das, was hinter dieser Tür vorging, war eine Überraschung für mich - war es vom ersten Tag an nicht gewesen -, wohl aber, welche ausgelassene Freude dabei herrschte.
    Sofort trat ich die Flucht an. Ich nenne es absichtlich so, denn ein Rückzug geht geordnet vor sich.
    Ich griff mir meinen Mantel und eilte die Treppe hinunter.
    Â»Tante?«, hörte ich Gerlindis zaghaft fragen.
    Ich wandte mich nicht zu ihr um. Wortlos verließ ich das Haus.
    Â 
    Nachdem ich eben diese letzten Zeilen geschrieben hatte, hob sich meine Hand unentschlossen, zitterte, ließ sich beruhigen, und ich schrieb weiter. Nur das kratzende Geräusch der Feder auf dem Pergament ist zu hören.
    Â 
    Eine Weile stand ich einfach so da, die Tür im Rücken und die Nacht vor Augen. Ich war unwillig, ins Haus zurückzukehren, und sah keinen Vorteil darin, in der Dunkelheit herumzulaufen. Wie festgefroren verharrte ich, umgeben von winterlicher Kälte und angefüllt mit einer anderen, inneren Kälte, die meinen Geist bewegungsunfähig machte. Vergeblich fragte ich mich, was ich fühlen sollte, welche Haltung die angemessene wäre, und kam doch nur zu dem Resultat, keine bestimmte Haltung einzunehmen. Gottes Wille - diese zwei Worte rief ich mir immer wieder ins Gedächtnis. So einschüchternd sie manchmal sein konnten, so beruhigend wirkten sie. Gottes Wille hatte meine vier Kinder ins
Himmelreich geholt, und Gottes Wille hatte meinem Gemahl, der jahrelang geduldig auf einen Erben gehofft hatte, eine Konkubine zugeführt, die ihm Kinder gebar. Ich fragte mich: Muss ich nicht dankbar sein, dass Arnulf sich erst spät eine Konkubine genommen hat, nämlich vor drei Jahren, zu einem Zeitpunkt, als deutlich wurde, dass mir keine fünfte Schwangerschaft vergönnt war? Andere Gatten handelten viel früher, manche von ihnen gar ohne Not, da ihre Frauen ihnen längst mehrere Erben geboren hatten. König Karl, beispielsweise, der zurzeit zwei Konkubinen hatte, obwohl es reichlich Prinzen gab - und eine Königin. Wenn Königin Liutgarde ihr Schicksal klaglos ertrug - und danach sah es aus -, welches Recht hatte ich, Gräfin Ermengard, zu hadern?
    Ich schloss den Mantel enger um meinen Körper und ging ein paar Schritte durch den Schnee. Es blieb also alles, wie es war. Ich würde keine bestimmte Haltung einnehmen. Alles, was ich tun musste, war, meinen Gemahl nicht länger als mein Eigentum zu betrachten und nicht ständig in der Bereitschaft zu leben, den Kampf um ihn aufzunehmen. Die Eifersucht war ein gefräßiges Tier, dem es galt, Einhalt zu gebieten.
    Dermaßen zur Ruhe gebracht, setzte ich meinen bislang zaghaften Spaziergang entschlossener fort. Ich befand mich inmitten der Königspfalz, die bereits zu großen Teilen fertiggestellt, trotzdem noch im Bau befindlich war. Der hinter dünnen Wolken verborgene Mond spendete gerade so viel Licht, dass er die Konturen der Türme, Hallen, Mauern und Lastkräne sichtbar machte. Fast der gesamte Hof - auch Arnulf und ich - lebte in behelfsmäßig errichteten Häusern am Rand der Baustelle und wartete sehnsüchtig darauf, im nächsten Sommer die fertige Pfalz beziehen zu
können. Ausgenommen davon waren nur König und Königin, die den fertigen Königsturm bezogen hatten, sowie die Prinzessinnen und königlichen Konkubinen, die im Frauenhaus wohnten. Die Pfalz sollte, dem Willen des Monarchen gemäß, der Mittelpunkt des fränkischen Reiches werden. Auch Quierzy, Reims und Worms waren im Gespräch gewesen, da sie, ebenso wie Aachen, von großen, wildreichen Wäldern umgeben und von Menschen bewohnt sind, die einen fränkischen Dialekt sprechen. Die warmen Quellen
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